Die Schweiz ist stolz auf ihre vier Landessprachen – und so zeigt sie dies jeweils einmal im Jahr ganz bewusst im Bundeshaus. Anlässlich des Tags der Mehrsprachigkeit versuchen sich Parlamentarierinnen und Parlamentarier bei ihren Voten in einer anderen Landessprache. Das tönt dann so:
Die Geste unterstreicht den gegenseitigen Respekt. Doch hinter der Fassade der sprachlichen Harmonie zeigen sich Spannungen – wie die Debatte ums Frühfranzösisch zeigt.
Oft vergessen gehen jedoch das Italienisch und das Rätoromanisch. Insbesondere die italienischsprachige Schweiz fühlt sich zunehmend vernachlässigt.
Alltägliche Diskriminierungen
Sind italienischsprachige Schweizerinnen und Schweizer Bürger zweiter Klasse? Diese Frage wirft das italienischsprachige Fernsehen RSI in der Konsumentensendung «Patti chiari» auf:
«Sprechstunden beim Arzt nur auf Deutsch, Produkte im Supermarkt falsch oder gar nicht übersetzt, Behörden die das Italienische vergessen, wie ist das möglich?», fragen, respektive klagen die Sendungsmacher. Diskriminierung wegen der Sprache? Ein harter Vorwurf.
Zu Gast in der Sendung war auch die Tessiner Bildungsdirektorin Marina Carobbio. Sie sagt dazu: «Ich würde sagen, dass es Situationen gibt, in denen wir diskriminiert werden, vor allem wenn man andere Landessprachen wenig kennt und man Leistungen ausserhalb der italienischen Schweiz braucht.»
Anna Giacometti ist FDP-Nationalrätin und Co-Präsidentin der parlamentarischen Gruppe «Italianità». Sie kennt solche Fälle aus eigener Erfahrung.
Die Bündnerin kommt aus dem italienischsprachigen Bergell. Und auch wenn der Kanton Graubünden dreisprachig sei, gehe italienisch vielfach vergessen: «Als ich noch Gemeindepräsidentin war, kamen die Dokumente vom Kanton zuerst immer auf Deutsch und erst Tage später auf Italienisch», sagt Giacometti.
Wir müssen immer mehr tun, um unsere Rechte durchzusetzen.
Greta Gysin erlebt dasselbe in Bern. Die Tessinerin sitzt für die Grünen im Nationalrat und ist ebenfalls Co-Präsidentin der parlamentarischen Gruppe Italianità. «Wir müssen immer mehr tun, um unsere Rechte durchzusetzen», sagt Gysin.
So würden auch Dokumente von der Bundesverwaltung nicht automatisch übersetzt. Als Beispiel nennt sie den Klimaplan. «Hätte ich mich nicht eingesetzt, so hätten wir dieses Dokument jetzt nicht auf Italienisch.»
Ein weiteres Beispiel: Viele Produkte in den Läden sind nur auf Deutsch und Französisch angeschrieben. Und wenn Italienisch vorkommt, dann oft falsch.
Was lustig klingt, wird ernst, wenn es um medizinische Informationen oder Versicherungen geht. Deshalb setzen sich die drei Politikerinnen ein, dass Italienisch in Bern nicht vergessen geht.
Der Trend ist klar. Italienisch verliert an Bedeutung; In Gymnasien und Sprachschulen wird es immer seltener angeboten. Englisch dominiert. Wird Italienisch in Zukunft in der Unbedeutsamkeit verschwinden?
Nein, ist Sprachprofessor Giuseppe Patota überzeugt: «Englisch ist die Sprache der Globalisierung, aber unsere ist die Sprache Dantes, die Sprache der Musik», so Ponta im RSI-Interview. «Gerade jetzt lernt irgendwo auf der Welt in China, Japan, Südkorea und vielleicht in Nordkorea jemand Italienisch, weil er singen muss.»
So bleibt für die Tessinerinnen und Südbündner zu hoffen, dass man auch in Bern etwas mehr Musikgehör fürs Italienische hat.