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Kampagne für Pestizideinsatz Bauern möchten ihr Saatgut weiterhin «beizen»

Ohne den Einsatz von Pestiziden falle ein Teil der Ernte Schädlingen zum Opfer. Die Produkte würden teurer, kritisieren sie.

Ein Teil der Schweizer Bauernschaft hat eine Plakatkampagne gestartet. Das Ziel, ist das Bild des giftspritzenden Bauern in der Öffentlichkeit zu korrigieren, auch im Hinblick auf hängige Volksinitiativen zu dem Thema. Sie sprechen von «Panikmache und Verteufelung von Pflanzenschutzmitteln». Ohne sie sei die heutige Landwirtschaft in der Schweiz gar nicht möglich.

Dieser Meinung ist auch Lars Nyffenegger. Der Bauer kniet über seinen Zuckerrüben. Die Blätter der Pflanzen sind gelb statt grün. Er bricht ein Blatt ab und sagt: «Normalerweise wären die Blätter grün, sie sind aber verkümmert, sie sind gelb und etwas angefressen von den Erdflöhen.» Zudem hätten diese befallenen Rüben einen tieferen Zuckergehalt als üblich.

Ertragseinbusse ohne Pflanzenschutzmittel

Das Feld könnte 160 Tonnen Ertrag geben. Dieses Jahr würden es vielleicht 120 Tonnen sein, so Nyffenegger. Und das alles nur, weil ein einziges synthetisches Pflanzenschutzmittel verboten worden sei. Mit diesem würde das Saatgut behandelt oder gebeizt, wie die Bauern sagen, und die Pflanze könne gedeihen. «Es ist sehr eine kleine Menge, die wir hier brauchen.»

Nyffenegger mit seinen Zückerrüben
Legende: Lars Nyffenegger im bernischen Worben erwartet einen Teilausfall bei der Zuckerrübenernte. zvg von IG BauernUnternehmen

Er sehe den Vorteil vor allem darin, dass er, wenn das Saatgut gebeizt sei, nicht grossflächig spritzen müsse. Denn dabei würden auch Nützlinge geschädigt. Ein alternatives synthetisches Mittel, welches nur das Saatgut der Rüben schütze, gebe es nicht. Und was ist mit biologischem Anbau?

«Es gibt sicher Kulturen, bei denen das möglich ist, und Biolandbaubetriebe, die zum Teil ganz ohne Pflanzenschutzmittel auskommen», gibt der Bauer zu. «Aber es gibt einfach auch anfälligere Kulturen wie Zuckerrüben oder Raps, bei denen wir auf Pflanzenschutzmittel angewiesen sind und das wahrscheinlich auch in Zukunft sein werden.»

«Die Bevölkerung muss umdenken»

Denn wer Schweizer Zucker, Raps, Getreide oder Früchte in ausreichender Menge und zu vernünftigen Preisen wolle, müsse eine gezielte Menge eingesetzter Pflanzenschutzmittel akzeptieren. Um das gehe es, so Nyffenegger. Die Bevölkerung müsse umdenken, ihre Vorurteile einem modernen Pflanzenschutz gegenüber abbauen, einsehen, dass nicht nur die Bauern Schadstoffe in Böden und Gewässer eintragen würden.

Er gibt zu bedenken: «Es gibt Hausfassaden, die Neonicotinoide beinhalten. Es gibt die SBB, die ihre Gleise mit Herbizid behandeln. Da hat man sicher auch Einträge in die Gewässer.» Und in jedem Hundehalsband gegen Flöhe sei derselbe Wirkstoff drin, der auch die Zuckerrüben grün und kräftig halten würde, dort sei er erlaubt. Bei seinen Zuckerrüben jedoch sei er verboten.

Reaktion des Präsidenten von Biosuisse

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Urs Brändli
Legende: Keystone

Den Aussagen von Bauer Nyffenegger widerspricht der Präsident von Biosuisse, Urs Brändli: «Eine Landwirtschaft ohne chemisch-synthetische Pestizide ist sehr wohl möglich, die Schweizer Biobauern und -bäuerinnen beweisen das seit Jahrzehnten.» Und es gebe sehr wohl Alternativen zu chemischen Pflanzenschutzmitteln – etwa im Kampf gegen Unkraut: «Unkräuter werden maschinell zurückgedrängt. Je nach Kultur genügt das nicht und es muss zum Teil noch von Hand gejätet werden. Wir kennen das vor allem beim Gemüse oder bei den Zuckerrüben.» Allerdings sei deswegen der Bioanbau auch aufwändiger, so Brändli weiter.

Echo der Zeit, 21.10.2020, 18 Uhr

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