Das Schweizerische Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) in Basel beobachtet das Wettrennen um einen Corona-Impfstoff genau. Leiter Jürg Utzinger hält es für realistisch, dass im nächsten Sommer ein Impfstoff für die breite Bevölkerung verfügbar ist. Er glaubt nicht, dass in der Eile gewisse Risiken unterschätzt werden. «Es gibt internationale Guidelines, die eingehalten werden müssen. Ethisch, technisch und wissenschaftlich, muss das absolut lupenrein sein», sagt Utzinger.
Impfstofftests im Spätsommer
Rund 20 Impfstoffe wurden bereits am Menschen getestet. So etwa jener der Firma Moderna. Erste Ergebnisse zeigen: Die geimpften Teilnehmenden entwickelten häufig sogar mehr Antikörper als Menschen, die tatsächlich am Virus erkrankt waren. Wegen des kurzen Studienzeitraums ist jedoch nicht klar, ob und wie lange die Antikörper tatsächlich vor einer Coronavirus-Infektion schützen können.
Im Spätsommer soll dieser mögliche Impfstoff auch in der Schweiz an Menschen getestet werden. Sechs universitäre Zentren in allen Landesteilen wollen klinische Tests an 1200 Probanden für die neuartige Impfung von Moderna durchführen.
Schnellere Zulassung möglich
Das Testen von möglichen Impfstoffen ist das Eine – die finale Zulassung das Andere. Wie schnell könnte ein Impfstoff freigegeben werden? Die Zulassungsstelle Swissmedic sagt: Bei Bedarf könne das Zulassungsverfahren für einen wichtigen Impfstoff angepasst werden.
«Wir können Impfstoffe befristet zulassen und auf zusätzliche Daten warten, die dann im Nachgang geprüft werden. Oder wir können beschleunigt zulassen, wenn der Nachweis für Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität bereits vollständig erbracht wurde», erklärt Claus Bolte, Leiter im Bereich Zulassung von Swissmedic. Zudem gebe es auch die Möglichkeit, den Impfstoff nur teilweise zuzulassen. Beispielsweise für bestimmte Altersgruppen oder Bevölkerungsgruppen mit oder ohne bestimmten Vorerkrankungen. «All das können wir massschneidern, wenn man so will», so Bolte.
In Brasilien, das besonders stark vom Coronavirus betroffen ist, werden aktuell gleich zwei aussichtsreiche Impfstoffe getestet – ein britisches und ein chinesisches Produkt. Die Impfstoffe werden hier an mehr als 1000 Probanden getestet. Und die Schweiz? Auch hier forschen Wissenschafter an Impfstoffen. Wie etwa Martin Bachmann am Berner Inselspital. Sein Wirkstoff befindet sich noch in der toxikologischen Überprüfung.
Internationale Zusammenarbeit
Die Stärke der Schweiz sieht Jürg Utzinger vom Tropeninstitut primär bei der Kooperation mit hier ansässigen Organisationen – wie der Impfallianz Gavi. Die Schweiz könne eine wichtige Rolle spielen. «Vielleicht nicht in dem Sinn, dass wir unseren eigenen Impfstoff auf den Markt bringen», sagt Utzinger. Aber die Schweiz könne mit Organisationen wie der WHO und der Gavi in Genf zusammen gewährleisten, dass am Schluss die ganze Welt Zugang zum Impfstoff erhalte.
Der Wettlauf um einen Impfstoff geht also im Eilzugstempo voran. Der Ausgang dieses Rennens ist aber noch völlig offen.