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Katastrophe in Blatten ETH Zürich: 3D-Modell sagt Bergstürze in den Alpen präzise voraus

Millionen Kubikmeter Geröll zerstören das Dorf Blatten – ein neues 3D-Modell der ETH Zürich und des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung hätte die Katastrophe voraussehen können.

Am 28. Mai stürzten zehn Millionen Kubikmeter Geröll und Eis in das Lötschental im Wallis. Eine Katastrophe für eine ganze Region und die Menschen dort. Ob sie jemals wieder zurück in ihr Dorf Blatten VS können, hängt auch davon ab, wie sicher die Region ist.

Die Forschung diesbezüglich geht voran. Immer genauer werden die Modelle, die die gefährlichen Stellen identifizieren können. Die Modelle, mit denen auch der Bergsturz in Blatten vorausgesagt werden konnte, funktionieren vor allem zweidimensional. Nun wurde in der Schweiz ein neues, dreidimensionales Modell entwickelt.

Bergsturz oberhalb von Blatten.
Legende: Weil das Gelände beim Nesthorn zerklüftet und unregelmässig ist, machte das die Prognosen schwierig. Dank eines 3D-Modells sollen die Vorhersagen präziser werden. KEYSTONE / Michael Buholzer

Hinter diesem Modell stehen Forschende der ETH Zürich und des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung. Sie haben dieses 3D-Simulationstool entwickelt. «Die dritte Dimension ermöglicht es uns, die Materialeigenschaften zu messen und in unser Modell einfliessen zu lassen», sagt Johan Gaume, Professor für Alpine Massenbewegungen an der ETH Zürich. Vor allem bei schwierigem Gelände könne man auf diese Weise präzisere Vorhersagen machen.

Wenn ich die Simulation vor dem tatsächlichen Ereignis gesehen hätte, hätte ich unserem Modell nicht getraut.
Autor: Johan Gaume Professor für Alpine Massenbewegungen, ETH Zürich

Im Fall vom Kleinen Nesthorn oberhalb von Blatten ist das Gelände schwierig: zerklüftet, unregelmässig. In solchem Gelände können sich die Eis- und Felsmassen in alle möglichen Richtungen gleichzeitig bewegen. Nach dem Bergsturz in Blatten liessen die Forschenden das 3D-Modell arbeiten. Dabei zeigte sich, dass die Simulation den Bergsturz quasi eins zu eins vorhergesagt hätte.

Weshalb kam das 3D-Modell also nicht vor dem Bergsturz im Lötschental zum Einsatz? Es sei noch in einer Versuchsphase, ausserdem hätten sie keinen Auftrag von den Walliser Behörden erhalten, sagt Johan Gaume.

Der ETH-Professor sagt gleichzeitig auch: «Wenn ich die Simulation vor dem tatsächlichen Ereignis gesehen hätte, hätte ich unserem Modell nicht getraut.» Derart viel Masse, die mit einer solchen Energie kam, dass sie sogar auf die andere Bergseite bis zum Weiler Weissenried hinauf reichte, das habe er sich nicht vorstellen können.

Auch beim Bergsturz in Brienz GR funktionierte das 3D-Modell

Das 3D-Modell hatte aber recht. Die Masse kam genau so wie vom Modell berechnet. Wie auch beim Bergsturz in Brienz GR. In diesem Fall kam das 3D-Simulationsmodell jedoch bereits im Voraus zum Einsatz. Bevor das Bergdorf evakuiert wurde, berechnete das Modell die Felsmasse, die ein paar Wochen später tatsächlich bis ins Dorf kam.

Es zeigt sich, das 3D-Modell der ETH Zürich und des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung funktioniert. Laut einer Studie gibt es allein im Kanton Wallis 89 Orte, die Risiken bergen. Bei denen sich die Berge bewegen könnten, bei denen es zu Steinschlägen und Bergstürzen kommen könnte.

Könnte das 3D-Modell nun überall in den gefährlichen Gebieten in den Bergen eingesetzt werden? «Viele dieser gefährlichen Stellen können weiterhin mit den klassischen Untersuchungsmethoden überprüft werden», sagt Johan Gaume. «Unser Modell macht nur Sinn, wenn Fels und Eis zusammen rutschen könnten.»

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 9.7.2025, 6:30 Uhr ; 

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