Die Stadt Bern will in der Innenstadt ab 17. November bis Weihnachten keine Grosskundgebungen und Umzüge mehr bewilligen. Die öffentlichen Plätze seien bereits stark genutzt, hiess es als Begründung. Zahlreiche Veranstaltungen und Grossanlässe stünden bevor. Es gebe aber auch sicherheitsrelevante Überlegungen. Kleinere Kundgebungen, beispielsweise Mahnwachen, könnten im Zentrum von Bern nach wie vor bewilligt werden.
Zuvor hatte der kantonale Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) zum Verzicht auf Palästina-Kundgebungen aufgerufen. Auch die Zürcher Sicherheitsdirektion wird ihre Strategie hinsichtlich der Weihnachtstage definieren.
Ist es legitim, solche Demonstrationen zu verbieten? Was sagen die involvierten Parteien dazu?
Sichtweise Bern
«Die Situation ist angespannt und vor dem Hintergrund denke ich, dass eine Pause angebracht ist», erklärt der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause. Die Sicherheitsdirektion der Stadt und des Kantons seien sich einig gewesen, so Müller. «Die Organisatoren der Pro-Palästina-Demos wurden aufgefordert, auf solche Kundgebungen in diesem Jahr zu verzichten. Die Stimmung beim letzten Mal war eher aggressiv, es gab Einpeitscher und auch radikal-extremistische Kreise darunter. Die Gefahr einer Eskalation ist sehr hoch.»
Es stellt sich aber auch die Frage, ob die Stadt Bern nicht auch die jüdische Seite punkto Demonstrationen in die Pflicht nehmen müsste. Müller widerspricht: «Die Aggressivität kam vor allem von einer Seite aus. Das kann man nicht schönreden. Deshalb wollen wir keine solchen Veranstaltungen mehr in diesem Jahr, auch die Bevölkerung möchte dies nicht mehr.»
Sichtweise Pro-Palästina
Ursprünglich wäre die Gesellschaft Schweiz-Palästina an der Kundgebung am vergangenen Samstag auch dabei gewesen, hat sich jedoch kurzfristig zurückgezogen, da sie nicht mit allen Aussagen einverstanden war. Präsident Geri Müller verurteilt ein Demonstrationsverbot. «Für uns ist ganz klar: Das Demonstrationsrecht gehört zu den Grundrechten.» Dieses solle man nicht leichtsinnig verbieten.» Ich finde nicht, dass es bisher auch nur irgendeine Pro-Palästinä-Demo in der Schweiz gab, bei welcher eine Gewalteskalation hätte entstehen können; auch nicht vergangenen Samstag.»
Es sei nicht legal, solche Demonstrationen zu verbieten. «Hier sollten wir eine typisch schweizerische Eigenschaft benutzen: miteinander reden.»
Sichtweise Israel
«Wir haben von Anfang an gesagt, dass an solchen Demonstrationen auch zu Gewalt aufgerufen werden kann», erklärt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes. «An gewissen Demonstrationen wird die Auslöschung Israels und der Tod der Juden skandiert.» Man wisse, dass die Versammlungsfreiheit in der Schweiz ein hohes Gut sei, aber: «Wir sind uns sicher, dass die Sicherheitsdirektoren wissen, was sie machen und die richtigen Schritte in die Wege leiten. Antisemitismus darf auf Schweizer Strassen keinen Platz haben.»
Müsste man nicht sämtliche Demonstrationen in Zusammenhang mit dem Krieg verbieten? Also auch Pro-Israel-Demonstrationen? Kreutner verneint. «Die Entscheidung fiel aufgrund von Sicherheitsüberlegungen. Also aufgrund von Antisemitismus, Extremismus und Rassismus auf solchen Veranstaltungen. Es wäre mir neu, dass es an Pro-Israel-Demonstrationen zu solchen Vorfällen gekommen wäre.»