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Kleine Insel vs. Weltkonzern Sind Klimaklagen legitim – oder sinnlos?

Vier Inselbewohnende aus Indonesien verklagen den Schweizer Zementkonzern Holcim. Es ist nicht die erste Klimaklage.

Es ist ein bisschen wie David gegen Goliath: Vier Fischerinnen und Fischer aus Indonesien wollen Holcim, einen global tätigen Milliardenkonzern, zur Verantwortung ziehen. Der Prozess findet aktuell vor dem Zuger Kantonsgericht statt.

Es ist nicht die erste Klimaklage – vor einigen Monaten versuchte ein peruanischer Bauer (erfolglos), den deutschen RWE-Konzern zu verklagen. Und die Klimaseniorinnen klagten (erfolgreich) vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen die Schweiz. Aber: Ist der juristische Weg sinnvoll und legitim?

Das Klimaseniorinnen-Urteil

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Die Klimaseniorinnen jubeln nach ihrem Sieg vor Gericht in Strassburg.
Legende: JEAN-CHRISTOPHE BOTT / Keystone

Der Verein «Klimaseniorinnen» hat 2024 einen Sieg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erzielt. Die Schweiz müsse die Menschen besser vor den Folgen des Klimawandels schützen. 

Das Urteil war historisch – und die erste Klimaklage, die vor dem Europäischen Gerichtshof gutgeheissen wurde.

«Historisch», «bahnbrechend» und ein Urteil mit «Signalwirkung» titelten damals Medien im In- und Ausland. Innenpolitisch stiess das Klimaurteil allerdings auf viel Kritik. Die Schweiz solle diesem nicht weiter Folge leisten, forderten Politikerinnen und Politiker von rechts bis in die Mitte.

Ist es nicht Sache der Politik, Klimaschutzmassnahmen zu ergreifen, anstatt dass Privatpersonen versuchen, via Gerichte Klimaschutz zu erzwingen? Corina Heri ist Assistenzprofessorin an der Universität Tilburg in den Niederlanden, sie beschäftigt sich mit Menschenrechten und der Rolle der Justiz beim Klimaschutz. «Dieses Argument hört man viel. Aber das Gegenargument ist, dass die Politik eben versagt hat, dass die Politik schon lange hätte handeln müssen. Und weil sie das nicht gemacht hat, liegt es jetzt an den Gerichten, um da Anstösse zu geben, die zu Handlungen führen.» Weil – das wisse man ja – die aktuellen Massnahmen nicht ausreichen, um die Erderwärmung rechtzeitig zu verringern.

Der Gang vor Gericht ist oft schwierig, die Verfahren teuer, die Rechtsvertretung ebenfalls.
Autor: Corina Heri Assistenzprofessorin Universität Tilburg

Dazu kommt laut Corina Heri ein zweites Argument. Gerichtsprozesse dauern lange, «das hat ja der Klimaseniorinnen-Fall gezeigt». Acht Jahre dauerte es von der ersten Beschwerde bis zum Urteil vor dem Europäischen Menschenrechts­gerichtshof. Gerichte seien also «oft das letzte Mittel, wenn alles andere gescheitert ist».

Grosse NGOs im Rücken: Werden die Klagenden instrumentalisiert?

Die Klimaseniorinnen wurden von Greenpeace unterstützt. Der peruanische Bauer in Deutschland vor wenigen Wochen von der NGO Germanwatch. Die vier indonesischen Inselbewohnenden beim aktuellen Fall in Zug haben das Schweizer Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Heks im Rücken. Werden da nicht einzelne Menschen «vor den Karren gespannt» und für einen grösseren Zweck instrumentalisiert?

Die Klägerinnen und Kläger mit der Anwältin vor dem Gericht.
Legende: Die Klagenden aus Indonesien werden beim Prozess gegen Holcim von der bekannten Schweizer Klimaanwältin Cordelia Bähr (ganz links) unterstützt. Keystone / Urs Flüeler

Auch das verneint die Wissenschaftlerin: «Der Gang vor Gericht ist oft schwierig, die Verfahren teuer, die Rechtsvertretung ebenfalls. Gerade wenn es um sehr verletzliche Personengruppen geht, muss fast eine Organisation unterstützen – sonst wären die Fälle gar nicht möglich.»

Erfolgreich waren bis jetzt nur wenige Klagen gegen Firmen. Beim Fall in Zug ist noch nicht einmal klar, ob das Gericht die Klage überhaupt zulässt. Eine weitere Kritik an Klimaklagen ist oft, dass jetzt wahllos einer Firma nach der anderen der Prozess gemacht wird, bis es dann mal klappt. «Das würde ich so nicht sagen. Also es geht hier in diesen Fällen um Unternehmungen, die sehr grosse Beiträge an die Treibhausgasemissionen geleistet haben», erklärt Corina Heri.

Und was sie auch beobachtet: Jeder einzelne Prozess werde genaustens beobachtet und analysiert – damit man aus den Fehlern lernen kann. Denn die nächste Klimaklage kommt bestimmt.

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SRF 4 News, 3.9.2025, 17:15 Uhr; wilh

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