Zum Inhalt springen

Konzernverantwortung Die Schlacht wird erst an der Urne entschieden

Wer kann dafür sein, dass Konzerne mit Sitz in der Schweiz im Ausland gegen Menschenrechte verstossen und die Umwelt verwüsten dürfen? Praktisch niemand. Genau das macht den Reiz der Konzernverantwortungsinitiative aus. Das Ziel ist unbestritten. Das sicherte ihr breite Unterstützung – nicht nur von links, sondern auch von kirchlichen und gut-bürgerlichen Kreisen.

Deutlich umstrittener ist, mit welchen Mitteln das Ziel erreicht werden soll. Sollen Konzerne für Vergehen bis ans Ende ihrer Lieferkette haften müssen, wie das die Initiative vorsieht? Sollen Betroffene auch in der Schweiz klagen dürfen?

Gegenvorschlag mit abgeschwächter Haftung

Auch vielen, die das Ziel der Initiative ausdrücklich befürworten, waren die Mittel zu hart. Der Nationalrat brachte deshalb einen Gegenvorschlag ein, mit abgeschwächter Haftung, mit weniger betroffenen Unternehmen.

Die Kompromissvariante überzeugte sogar einige Wirtschaftsverbände wie die Swiss Retail Federation, zu denen auch Konzerne wie Migros, Coop und Ikea gehören. Gar so wirtschaftsfeindlich, wie die Konzernlobby es darstellte, kann er also nicht gewesen sein.

Die CVP brachte den Kompromiss in den Nationalrat, scheiterte aber am Widerstand im Ständerat. Die kleine Kammer drückte ihren eigenen Gegenvorschlag durch, den Bundesrätin Karin Keller-Suter vorschlug – ein reiner Alibi-Vorschlag, wie die Gegner kritisieren.

Die Kompromissvariante des Nationalrats kam dagegen nicht durch gegen das harte Lobbying von Wirtschaftsverbänden wie Economiesuisse oder Swissholdings, dem Verband der multinationalen Grosskonzerne in der Schweiz. Wäre sie angenommen worden, hätten die Initianten die ganze Initiative nach eigenen Angaben zurückgezogen.

Indirekter Gegenvorschlag kommt vor das Volk

Dass die Konzernlobby das verhindert hat, könnte sich noch als Bumerang erweisen. Denn seit heute ist sicher: Die Konzernverantwortungsinitiative kommt mit einem indirekten Gegenvorschlag vor das Volk. Ohne neue Haftungsregelungen, nur mit unverbindlichen Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten, und auch die nur für bestimmte Unternehmen.

Nachdem der Nationalrat mit knapper Mehrheit dafür gestimmt hat, gilt der Segen des Ständerats am Dienstag nur noch als Formsache.

Und doch ist noch lange nicht sicher, ob sich die grossen Wirtschaftsverbände am Ende durchsetzen werden. Zwar werden sie Millionen in den Abstimmungskampf investieren, um die Initiative zu bodigen. Zwar werden sie mit massivem Schaden für die Schweizer Wirtschaft und dem Verlust von Arbeitsplätzen drohen. Doch was den Wirtschaftsverbänden fehlt, sind Patrons und Unternehmerinnen, die hinstehen und das Nein vertreten. Die den Konzernen ein menschliches Antlitz geben. Die sie glaubwürdig machen. Bis jetzt hat sich noch keiner aus der Deckung gewagt.

Schlacht ist noch lange nicht entschieden

Noch geben Umfragen der Initiative an der Urne eine gute Chance. Doch es bleibt die grosse Frage, wie die vielen Sympathisanten der Konzernverantwortungsinitiative an der Urne entscheiden werden. Bleiben sie im Ja-Lager? Oder stimmen sie, mit den Drohungen der Konzernlobby im Ohr, am Ende doch für den indirekten Gegenvorschlag?

Es dürfte eine Abstimmungs-Schlacht geben wie selten. Auch wenn die Gegner aus dem Konzernlager im Vorteil sind: Die Schlacht ist noch lange nicht entschieden.

Maren Peters

Südasien-Korrespondentin

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Maren Peters ist seit September 2022 Südasien-Korrespondentin für Radio SRF und berichtet von Indien aus über Afghanistan, Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka, Nepal, Bhutan und die Malediven. Zuvor war sie Wirtschaftsredaktorin bei Radio SRF. Dabei beschäftigte sie sich insbesondere mit internationaler Wirtschafts- und Entwicklungspolitik sowie Nachhaltigkeits- und Rohstofffragen.

Echo der Zeit, 08.06.2020, 18 Uhr

Meistgelesene Artikel