Krieg im Nahen Osten - Nationalbank investiert in umstrittene Firmen
Die SNB investiert Geld in neun Firmen, die international scharf kritisiert werden, wegen ihrer Zusammenarbeit mit Israel in einem militärischen Kontext. Gleichzeitig betont die Nationalbank ethische Prinzipien. Wie geht das zusammen?
Caterpillar ist eine der neun Firmen. Die Bulldozer des US-Konzerns seien «Kernwaffen» des israelischen Militärs, die «bei fast allen militärischen Aktivitäten seit 2000 eingesetzt werden». Das schreibt Francesca Albanese, die UNO-Sonderberichterstatterin für die palästinensischen Gebiete, in einem Bericht.
Recherchen von SRF Investigativ zeigen: Die SNB besitzt zur Jahreshälfte 2025 Anteile an Caterpillar wie auch an weiteren Rüstungs- und Technologiefirmen, welche Albanese scharf kritisiert. Im Bericht heisst es, Firmen wie Caterpillar, Elbit Systems oder Leonardo seien wegen ihrer Zusammenarbeit mit Israel mitverantwortlich für Menschenrechtsverletzungen.
In diese Firmen investiert die SNB
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Die Investitionen der SNB sind über sogenannte «13F filings» der US-Behörden nachvollziehbar. Die neusten verfügbaren Daten zeigen den Stand der Investitionen bis zur Jahreshälfte 2025. Die SNB selbst äussert sich nicht zu einzelnen Anlagen. Das Portfolio der Nationalbank enthält tausende Unternehmen, darunter auch die neun kritisierten:
ElbitSystems Israelischer Rüstungskonzern. Laut UNO-Sonderberichterstatterin stark in israelische Militäroperationen eingebunden. Mehrere grosse Anleger, darunter die norwegische Pensionskasse KLP, haben Elbit unter anderem wegen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Israel ausgeschlossen.
Leonardo Italienischer Waffenhersteller. Liefert Kriegsgerät an Israel und wird von der UNO-Sonderberichterstatterin unter anderem für die Zusammenarbeit mit der israelischen Luftwaffe kritisiert. KLP entfernte Leonardo bereits 2017 aus dem Portfolio – damals jedoch wegen Korruptionsvorwürfen.
Caterpillar US-Maschinenbauer. Die Caterpillar-Bulldozer werden laut UNO-Sonderberichterstatterin für Abrisse und militärische Einsätze in Gaza genutzt. Die norwegische KLP zog ihre Investitionen in Caterpillar 2024 wegen Menschenrechtsverletzungen zurück. Auch niederländische Pensionskassen sind ausgestiegen. Vor wenigen Tagen folgte die norwegische Zentralbank und verkaufte ihre Anteile.
Palantir US-Softwarefirma. Unterstützt Israels Militär laut UNO-Sonderberichterstatterin mit essenzieller KI und Datenanalyse. Der norwegische Grossinvestor Storebrand hat Palantir ausgeschlossen; KLP prüft aktuell seine Beteiligung, wie der Pensionsfonds auf Anfrage von SRF Investigativ bestätigt.
Microsoft US-Technologiekonzern. Unterstützt laut UNO-Sonderberichterstatterin Israels Militär mit essenzieller Cloud- und KI-Technologie. Laut Bericht hat ein israelischer Oberst die Cloud-Technologie als Waffe im wahrsten Sinne des Wortes bezeichnet.
IBM US-Technologiekonzern. Seit 1972 in Israel aktiv. Laut UNO-Sonderberichterstatterin bildet IBM etwa Militärpersonal aus und betreibt Datenbanken, die zur Überwachung von Palästinensern dienen.
Alphabet (Google) US-Technologiekonzern. Laut UNO-Sonderberichterstatterin Teil des Nimbus-Projekts zur Bereitstellung militärischer Cloud-Infrastruktur für Israel. Verbessert laut Bericht Israels Überwachungs- und Entscheidungsfähigkeit.
Amazon US-Mischkonzern. Liefert kritische Cloud- und KI-Technologie für Israels Verteidigungsapparat, auch im Rahmen des Nimbus-Projekts, wie die UNO-Sonderberichterstatterin in ihrem Bericht schreibt.
Oshkosh US-Fahrzeughersteller. Die norwegische Pensionskasse KLP stiess diesen Sommer ihre Anteile ab, da Oshkosh Militärfahrzeuge an die israelische Armee verkaufe. UNO-Experten hatten von Oshkosh und anderen Herstellern einen Lieferstopp an Israel gefordert und vor Mitverantwortung für Menschenrechtsverletzungen gewarnt. Im Bericht der UNO-Sonderberichterstatterin wird Oshkosh nicht explizit erwähnt.
Die UNO-Sonderberichterstatterin steht wegen ihrer harschen Worte immer wieder in der Kritik, beanstandet aber nicht als einzige Geschäftstätigkeiten im Zusammenhang mit Gaza.
Investoren stossen Anteile ab
Grosse Investoren, insbesondere aus Skandinavien, aber auch Grossbritannien oder den Niederlanden haben ihre Anteile an verschiedenen Firmen verkauft, etwa jene an Caterpillar oder Elbit Systems.
Legende:
Ein umgebauter Bulldozer D9 von Caterpillar, den die israelischen Truppen im Gazastreifen einsetzen.
Keystone /Jack Guez
«Es gibt keine Zweifel, dass die Produkte für extensive und systematische Verletzungen des humanitären Völkerrechts verwendet werden», schrieb etwa die norwegische Zentralbank, als sie Ende August ihre Anteile an Caterpillar abstiess.
Die SNB und ihre Ethikregeln
Die Schweizerische Nationalbank ist verschiedenen Grundsätzen verpflichtet. Sie muss gewährleisten, dass die Geldpolitik jederzeit über den nötigen Handlungsspielraum verfügt.
Daneben will sie auch Grundprinzipien wahren, wie sie prominent auf ihrer Website schreibt. Etwa erwerbe die Nationalbank «keine Wertschriften von Unternehmen, die grundlegende Menschenrechte massiv verletzen».
Kritik an Israel nimmt zu
Zuletzt nahm die Kritik an Israels Vorgehen in Gaza weiter zu: Verschiedene westliche Staaten werfen der israelischen Führung eine «völlig unverhältnismässige Eskalation» und das Verweigern humanitärer Hilfe vor. Gemäss Medienrecherchen, die sich auf israelische Geheimdienstdaten berufen, sind über 80 Prozent der Todesopfer in Gaza Zivilisten.
Krieg in Gaza und Israel seit 2023
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Am 7. Oktober 2023 griffen Terroristen der palästinensischen Hamas Israel an, ermordeten über tausend Personen und verschleppten 250 Geiseln in den Gazastreifen. Dieses Massaker wird von internationalen Expertinnen und Experten als Verbrechen durch die Hamas qualifiziert.
Israel reagierte mit einem Gegenangriff im Gazastreifen. Während etliche Beobachter diesen zunächst als legitimen Verteidigungsschlag sahen, wird die Kriegsführung der israelischen Regierung in Gaza zunehmend kritisiert. Die Internationale Vereinigung der Genozidforschenden IAGS etwa schrieb in einer Resolution im Sommer 2025 von systematischen und weit verbreiteten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und von Kriegsverbrechen, welche Israel in Gaza begangen habe, darunter «wahllose und vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur (Spitäler, Wohnhäuser, Geschäftsgebäude usw.)». Die Kriterien eines Völkermordes seien ebenso erfüllt.
Auch Menschenrechtsorganisationen wie «Amnesty International» und «Human Rights Watch» sowie die israelischen Organisationen «B’Tselem» und «Physicians for Human Rights Israel» sprechen unterdessen von einem Genozid. Die Frage wird von Richterinnen und Richtern geklärt werden: Vor dem Internationalen Gerichtshof ist derzeit eine Klage Südafrikas gegen Israel diesbezüglich hängig.
Verschiedene Organisationenklassifizieren das Vorgehen Israels als Völkermord. Der Internationale Strafgerichtshof ermittelt unter anderem gegen Israels Premierminister Benjamin Netanyahu wegen Kriegsverbrechen.
«Im Fall von Gaza ist es völlig klar»
Für Marc Chesney, emeritierter Professor für Finanzmathematik, ist die Verantwortung der SNB glasklar. Sobald Investitionen in Firmen Menschenrechtsverletzungen förderten, müssten diese gestoppt werden, sagt Chesney. Menschenrechtsverletzungen seien bezüglich Gaza ein Euphemismus. Man müsse von Massaker und Hungersnot sprechen.
Der Bankenprofessor fordert seit Jahren eine nachhaltigere Anlagestrategie der Nationalbank. Seine Sichtweise teilen nicht alle Geldpolitik-Fachleute. Gewisse warnen: Die SNB sei keine politische Behörde. Für nicht-ökonomische Ziele wären politische Vorgaben nötig.
SRF Investigativ hat die SNB mit der Kritik an ihren Investitionen konfrontiert. Zu den Fragen nahm die Nationalbank keine Stellung, sondern verweist generell auf den Nachhaltigkeitsbericht und ihr mandatiertes Ziel der Preisstabilität.
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