Die Lockerungen des Kriegsmaterialgesetzes sind ein Musterbeispiel für den Berner Politbetrieb: Die Mühlen im Parlament mahlen langsam, und am Schluss kann das Resultat so gar nicht mehr der ursprünglichen Absicht entsprechen.
Der russische Überfall auf die Ukraine ist bald vier Jahre her. Und fast so lange brütete auch eine «Koalition der Willigen» von der SP bis zur FDP an einer gesetzlichen Lösung, wie europäische Staaten in Zukunft Schweizer Waffen doch in die Ukraine weitergeben könnten. Die SVP war von Anfang an dagegen. Sie legte die Neutralität beim Ukraine-Krieg streng aus.
Versorgung der Armee gefährdet
Die «Koalition der Willigen» verwarf eine Idee nach der anderen und wurde sich am Schluss nicht einig. Inzwischen kündigten mehrere europäische Staaten an, wegen des Waffen-Weitergabeverbots keine Rüstungsgüter mehr in der Schweiz zu kaufen. Während die europäischen Waffenschmieden einen Verkaufsrekord nach dem anderen vermelden, stagnieren die Schweizer Rüstungsbetriebe.
Die Sorge bei der Armee und den Bürgerlichen, inklusive SVP, nahm zu, die Schweizer Rüstungsindustrie könnte kollabieren. Nicht nur Arbeitsplätze sind gefährdet, sondern vor allem die Versorgung der Schweizer Armee in einem Konfliktfall, so die Befürchtung.
Deal mit der SVP
Weil sich die Mitte-Links-Allianz im Bundeshaus nicht auf Waffenexport-Lockerungen einigen konnte, schmiedete die Rüstungsindustrie im Hintergrund eine neue politische Koalition. Eine Mitte-Rechts-Allianz mit der SVP.
Die Volkspartei war bereit, bei den Waffenexporten viel grössere Lockerungen als bisher geplant zu unterstützen. Bedingung für die SVP war jedoch, dass kein Kriegsmaterial in die Ukraine gelangen darf. Die Mitte und die FDP waren bereit, diesen Kompromiss mitzutragen.
Referendum angekündigt
Und so hat diese neue Allianz jetzt in nur einer Sessionswoche grosse Lockerungen bei den Waffenexporten in beiden Räten durchgebracht, über die das Stimmvolk am Schluss entscheiden wird. Die linken Parteien haben heute definitiv ein Referendum angekündigt. Sie warnen: Die Schweiz wird die Kontrolle darüber verlieren, was die Staaten am Schluss mit den Schweizer Waffen tun. Schweizer Waffen könnten in Jordanien oder Ägypten auftauchen.
Tatsächlich wird der Bundesrat mit den beschlossenen Lockerungen einen deutlich grösseren Spielraum als bisher erhalten. Macht die Regierung in Zukunft bei den Waffenverkäufen nicht unmittelbar Auflagen, so können die von der Schweiz belieferten Staaten die Waffen praktisch uneingeschränkt weitergeben – theoretisch sogar an die Ukraine.
Ein Dilemma
Es gibt gewisse Unschärfen bei der neuen Gesetzgebung. Und ein Dilemma: Ist jetzt vor allem eine starke Schweizer Rüstungsindustrie gefragt, die im Konfliktfall die Armee beliefern kann? Oder ist eine strikte Auslegung der Neutralität und die Verhinderung von Schweizer Waffenlieferungen an sogenannte «Unrechtsstaaten» wichtiger? Diese Fragen werden im Zentrum des Abstimmungskampfes stehen.