Wütend wie schon länger nicht mehr tritt SVP-Präsident Albert Rösti heute Mittag vor die Medien: «Unser Rechtsstaat wird mit Füssen getreten. Ich wähne mich im Moment in einer Anarchie, wie das hier läuft in diesem Land.»
Da müssten Beizen, Bars, Läden peinlichst genau auf Schutzkonzepte und Zwei-Meter-Abstände achten und Event-Organisatoren seien wegen des Veranstaltungsverbots gar völlig ohne Arbeit, während gleichzeitig Tausende straflos demonstrieren gingen, so Rösti. Dies sei ein Affront gegenüber allen Klein- und Mittelbetrieben, die massive Verluste hätten.
Es sei aber auch eine Gefährdung der Bevölkerung, denn die Demonstrationen hätten ohne jegliche Schutzmassnahmen stattgefunden, so Rösti: «Viele trugen keine Maske und hielten die Abstandregeln nicht ein. So etwas ist intolerabel.»
Unser Rechtsstaat wird mit Füssen getreten. Ich wähne mich in einer Anarchie, wie das hier läuft in diesem Land.
Konsequenterweise müsse der Bundesrat jetzt alle Corona-Massnahmen beseitigen, fordert die SVP. Auch die FDP fragt: Gelten die Corona-Regeln eigentlich noch für alle? Das sei die falsche Schlussfolgerung, auch wenn der Unmut legitim sei, schreibt die CVP.
Wermuth zeigt Verständnis für Unternehmen
Ein Stück weit Verständnis signalisiert auch SP-Nationalrat Cédric Wermuth: «Ich verstehe jedes Unternehmen, das sich hier ungleich behandelt fühlt. Das ist völlig korrekt. Leider habe ich keine viel schlauere Antwort als zu sagen: Das ist leider die Realität in einer Pandemie. Es gibt keine Alternative. Ausser einer Polizei, welche Demonstrationen mit massiver Gewalt auflöst, doch das hätte sich niemand gewünscht für dieses Land.»
Leider habe ich keine viel schlauere Antwort als zu sagen: Das ist leider die Realität in einer Pandemie.
KKJPD: Maskenpflicht wäre möglich und zumutbar
Das Verbot für Demonstrationen mit mehr als 300 Teilnehmern sei praxisfremd, warnte die Konferenz der kantonalen Polizeidirektoren KKJPD schon vor zehn Tagen. Heute fordert ihr Präsident, der Aargauer SP-Regierungsrat Urs Hofmann nun: Die 300er-Obergrenze solle ganz aufgehoben werden.
Dafür sollten sich auch Demonstrierende an Schutzmassnahmen halten: «Mit scheint es zum Beispiel möglich und zumutbar, dass Masken getragen werden müssen. Dann wäre wahrscheinlich der Nutzen im Kampf gegen das Coronavirus grösser, als wenn man am Schluss einfach alles gewähren lassen muss, weil es nicht anders geht. Und dann eben keine Masken getragen werden, weil es auch keine Bewilligungen und keine Auflagen gibt.»
Eine Maskenpflicht erscheint mir möglich und zumutbar.
Rösti: Kantone sollen für allfällige Todesfälle haften
Die Polizeidirektoren müssten das geltende Recht durchsetzen, nicht neue Regeln verlangen, kontert der SVP-Präsident. Rösti will im äussersten Fall die Kantonsregierungen haftbar machen.
Zwar rechnet Rösti nicht mit steigenden Corona-Fallzahlen wegen der Demonstrationen, doch er betont: «Aber wenn es eintritt, ist das, was hier geschehen ist, fahrlässige Tötung. Das müsse juristisch verfolgt werden.» Auf welche Rechtsgrundlage eine solche Haftungsklage abgestützt wäre, müsste noch geprüft werden, ergänzt Rösti auf Nachfrage.
Der Bundesrat berate demnächst über Lockerungen beim Demonstrationsverbot, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter am Montag zu Radio SRF. Das könnte bereits diesen Freitag sein.