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Lobbying in Bern Wie neue Parlamentarier geködert werden

Lobbying ist Teil des Bundesberner Politsystems. Die neuen Parlamentarier werden deshalb von Anfang an eng umgarnt.

130 Anfragen in sechs Wochen. Per Post und per E-Mail ist der neue Nationalrat Felix Wettstein (Grüne/SO) nach seiner Wahl richtiggehend bombardiert worden. Nicht nur dutzende Briefe hat er erhalten, sondern auch Geschenkpakete. Etwa mit Powerbanks, Schöggeli oder Büchern.

«Erst kommt meist eine Gratulation, als zweites dann vom selben Absender eine Einladung. Und oft als drittes eine Argumentation, warum man bei einem kommenden Parlaments-Geschäft so oder so abstimmen sollte», schildert Wettstein. Was ihn befremdet: Sogar auf den Pulten der Parlamentarier im Nationalratssaal wurden in der ersten Sessions-Woche jeden Morgen Broschüren und Briefe von Lobby-Organisationen aufgelegt.

Der Solothurner Nationalrat Felix Wettstein diskutiert mit einer Frau.
Legende: Der Solothurner Nationalrat Felix Wettstein (Grüne), hier anlässlich eines Informationsmarkts im Bundeshaus, dokumentiert das Lobbying. Keystone

Zu über 40 Anlässen während der drei Wochen der ersten Wintersession wurden die meisten der neuen Parlamentarier eingeladen. Verbände, Kantonsregierungen oder NGOs laden zum gegenseitigen Kennenlernen ein, oft bei einem Apéro, Buffet oder einer Podiums-Diskussion. Da die Parlamentarier unter der Woche oft in Bern übernachten, sind diese häufig gut besucht.

Sport-Lobby hinter verschlossenen Türen

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Viola Amherd spielt Tischtennis mit einem Jungen.
Legende: Twitter/Viola Amherd

Eine beliebte Veranstaltung ist der Anlass der «Parlamentarischen Gruppe Sport» im Nobelhotel Bellevue, finanziert von Sport-Toto. Hier nehmen jeden Dezember hinter verschlossenen Türen gut 80 Parlamentarier teil, also jeder dritte Volksvertreter.

Bei Buffet und Unterhaltungsprogramm konnten sie hier letzten Dienstag nicht nur Sportministerin Viola Amherd im intimen Rahmen treffen, sondern auch Sportgrössen wie Christian Stucki, Pirmin Zurbriggen oder TV-Moderator Paddy Kälin. Die Spitzen der wichtigsten Sportverbände nutzen die Gelegenheit, mit den Parlamentariern «Per-Du» zu machen und ihre Bedürfnisse zu erklären. Titel der Veranstaltung: «Team Spirit».

Es versteht sich von selbst, dass die anwesenden Parlamentarier bei der nächsten Abstimmung zum Thema Sport dann erneut mit Argumenten der Branche versorgt werden.

Der Neo-Nationalrat Wettstein hat die vielen Lobby-Aktivitäten zur persönlichen Feldstudie erhoben. Mit wissenschaftlicher Neugier sammelt der Sozialwissenschafter und Dozent an der Hochschule für Soziale Arbeit in Olten das zugesandte Werbematerial.

Teil des Schweizer Systems

Ihn stört die Anfragen-Flut nicht. Er war selber früher Lobbyist bei «Kinderlobby Schweiz». «Als gewählter Politiker bin ich selber dafür verantwortlich, mit welchen Einflüssen ich was mache, wo ich mich einseifen lasse. Diese Verantwortung kann mir niemand abnehmen.» Die Lobbyarbeit sei in der Schweiz fester Bestandteil des politischen Systems.

Das beginne schon bei der Einreichung eines Vorstosses im Parlament, welchen die Parlamentarier oft in Zusammenarbeit mit entsprechenden Organisationen verfassten. «Später in der Vernehmlassung dürfen sich alle Interessensgruppen erneut einbringen – das zieht sich quer durch den Gesetzgebungs-Prozess.»

Zwei Nachteile habe das Lobby-System allerdings. «Erstens ist das Geld, um seine Interessen einzubringen, sehr ungleich verteilt. Und zweitens findet viel Lobbyarbeit im Halbdunkeln statt.» Deshalb macht Felix Wettstein auch seine Studie. «Wichtig ist Transparenz. Wer ist im Namen welcher Firma unterwegs und wer sind die Auftraggeber.»

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