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Lobbying statt Ständerat So verschaffen sich die Kantone im Bundeshaus Gehör

Wie lobbyieren Kantone beim Bund? Und wieso ist das überhaupt notwendig? Eine Föderalismusexpertin erklärt.

Der Aufschrei der Kantone war gross, als der Bundesrat im Januar über das Sparpaket informierte: Die Regierung wolle auf Kosten der Kantone sparen. Die Stände beschwerten sich nicht zum ersten Mal, sagt die Föderalismusexpertin Rahel Freiburghaus. Auch bei den kantonalen Mindestlöhnen oder beim Tempo 30 habe der Bund Kantonsinteressen übergangen. Die Forscherin der Universität Bern untersucht in einer neuen Studie, wie die Kantone erfolgreich im Bundeshaus lobbyieren.

Mann in Anzug betritt Balkon.
Legende: Der Balkon vor der Wandelhalle im Bundeshaus, ein beliebter Ort des Austauschs. Keystone / PETER KLAUNZER

Eigentlich ist der Ständerat das politische Gremium, welches die Kantonsinteressen auf nationaler Ebene vertreten sollte. Ursprünglich war die direkte Verbindung zwischen den Kantonsbehörden und deren Abgesandten in Bern durch das Wahlsystem sichergestellt: Kantonsparlamente oder Regierungen wählten die Ständeräte. Spätestens 1977 war dies jedoch in allen Kantonen passé. Seither wählt das Volk die kantonseigenen Ständeratsmitglieder.

Parteibasis geht vor Kantonsbehörde

Das beeinflusse die kantonale Interessenvertretung in Bern, sagt Rahel Freiburghaus: «Man kann die Interessen der Kantone über einzelne Ständeratsmitglieder weiterhin vertreten, aber der Ständerat als solcher, als Gesamtrat, ist heute nicht mehr kantonsfreundlicher als der Nationalrat.»

Ihre Erklärung: Durch die Volkswahl seien die Ständeratsmitglieder stärker der Parteibasis als den Kantonsbehörden verpflichtet.

Paradebeispiel Lötschberg-Basistunnel

Die Kantone wissen sich jedoch zu helfen und lobbyieren über alternative Wege in Bundesbern. Wie das geht, zeigte das Lötschberg-Komitee, das erfolgreich für den Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels weibelte.

Der Lötschberg-Basistunnel

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Der Lötschberg-Basistunnel verbindet das Mittelland mit dem Wallis und gilt als zentrale Achse der Schweizer Verkehrslandschaft. Seit der Inbetriebnahme im Jahr 2007 ist der Eisenbahntunnel auf weiten Strecken nur einspurig befahrbar. 2026 starten die Bauarbeiten, um den Tunnel um eine zweite Fahrbahn zu ergänzen. Dieser Ausbauschritt wurde 2024 vom Parlament genehmigt.

Die damalige Berner Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer gründete das Komitee im Jahr 2010. Der spätere Erfolg fusste auf einer breiten Allianz, wobei sich sieben Kantone zusammenschlossen. Das Komitee fand auch Unterstützung aus den Regionen. Beispielsweise seitens Ernst Wandfluh, Präsident der Planungsregion Kandertal, der die Gemeinde Frutigen besser in das Eisenbahnnetz integrieren möchte.

Konferenz Lötschberg-Komitee.
Legende: Das Lötschberg-Komitee: Jacques Melly (links), Staatsrat Kanton Wallis, spricht 2018 an der Seite von Barbara Egger-Jenzer (Mitte) und Viola Amherd (rechts), die im Dezember desselben Jahres zur Bundesrätin gewählt wurde. Keystone / PETER KLAUNZER

Als Glücksfall erwies sich für das Komitee die Unterstützung der damaligen CVP-Nationalrätin Viola Amherd, welche der Allianz die Türen in den National- und Ständeratssaal öffnete, wie Barbara Egger-Jenzer erwähnt. Dabei sei vor allem wichtig gewesen, die Mitglieder der Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen zu überzeugen.

Erfolgreiches Kantonslobbying – so funktioniert's

Für die Föderalismusforscherin Rahel Freiburghaus ist der Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels ein Paradebeispiel für erfolgreiches Kantonslobbying: «Man hat nämlich gesehen, dass Standortgemeinden, wie zum Beispiel Frutigen und Kandersteg, durchaus viel Druck auf die Kantone Bern und Wallis ausgeübt haben.»

Wichtige Erfolgsfaktoren für Kantonslobbying

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Am Beispiel Lötschberg nennt die Politologin Rahel Freiburghaus drei wichtige Erfolgsfaktoren für erfolgreiches Kantonslobbying. Wichtig sind demnach:

  1. der lokale Handlungsdruck von Gemeinden auf die Kantone,
  2. rechtzeitige Intervention der Kantone bei der Bundesverwaltung,
  3. Allianzen unter den Kantonen.

Weiter sei ausserdem relevant, dass die Kantone Praxiserfahrung aus der Umsetzung der Bundespolitik mitbrächten. Dadurch könnten sie wertvolles Fachwissen auf Bundesebene teilen.

Dieser lokale Handlungsdruck auf die Kantone ist laut Studie eine Bedingung für erfolgreiches Kantonslobbying. «Wir haben zweitens gesehen, dass die Kantone sehr früh bei der Bundesverwaltung interveniert haben. Und drittens haben die Kantone sich sehr geschickt in einer Allianz verbunden», argumentiert Freiburghaus. Den einen Königsweg nach Bundesbern gebe es für die Stände allerdings nicht. Wichtig sei die Kombination verschiedener Erfolgsfaktoren.

10vor10, 21.7.2025, 21:50 Uhr; sten

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