Der Aufschrei der Kantone war gross, als der Bundesrat im Januar über das Sparpaket informierte: Die Regierung wolle auf Kosten der Kantone sparen. Die Stände beschwerten sich nicht zum ersten Mal, sagt die Föderalismusexpertin Rahel Freiburghaus. Auch bei den kantonalen Mindestlöhnen oder beim Tempo 30 habe der Bund Kantonsinteressen übergangen. Die Forscherin der Universität Bern untersucht in einer neuen Studie, wie die Kantone erfolgreich im Bundeshaus lobbyieren.
Eigentlich ist der Ständerat das politische Gremium, welches die Kantonsinteressen auf nationaler Ebene vertreten sollte. Ursprünglich war die direkte Verbindung zwischen den Kantonsbehörden und deren Abgesandten in Bern durch das Wahlsystem sichergestellt: Kantonsparlamente oder Regierungen wählten die Ständeräte. Spätestens 1977 war dies jedoch in allen Kantonen passé. Seither wählt das Volk die kantonseigenen Ständeratsmitglieder.
Parteibasis geht vor Kantonsbehörde
Das beeinflusse die kantonale Interessenvertretung in Bern, sagt Rahel Freiburghaus: «Man kann die Interessen der Kantone über einzelne Ständeratsmitglieder weiterhin vertreten, aber der Ständerat als solcher, als Gesamtrat, ist heute nicht mehr kantonsfreundlicher als der Nationalrat.»
Ihre Erklärung: Durch die Volkswahl seien die Ständeratsmitglieder stärker der Parteibasis als den Kantonsbehörden verpflichtet.
Paradebeispiel Lötschberg-Basistunnel
Die Kantone wissen sich jedoch zu helfen und lobbyieren über alternative Wege in Bundesbern. Wie das geht, zeigte das Lötschberg-Komitee, das erfolgreich für den Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels weibelte.
Die damalige Berner Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer gründete das Komitee im Jahr 2010. Der spätere Erfolg fusste auf einer breiten Allianz, wobei sich sieben Kantone zusammenschlossen. Das Komitee fand auch Unterstützung aus den Regionen. Beispielsweise seitens Ernst Wandfluh, Präsident der Planungsregion Kandertal, der die Gemeinde Frutigen besser in das Eisenbahnnetz integrieren möchte.
Als Glücksfall erwies sich für das Komitee die Unterstützung der damaligen CVP-Nationalrätin Viola Amherd, welche der Allianz die Türen in den National- und Ständeratssaal öffnete, wie Barbara Egger-Jenzer erwähnt. Dabei sei vor allem wichtig gewesen, die Mitglieder der Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen zu überzeugen.
Erfolgreiches Kantonslobbying – so funktioniert's
Für die Föderalismusforscherin Rahel Freiburghaus ist der Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels ein Paradebeispiel für erfolgreiches Kantonslobbying: «Man hat nämlich gesehen, dass Standortgemeinden, wie zum Beispiel Frutigen und Kandersteg, durchaus viel Druck auf die Kantone Bern und Wallis ausgeübt haben.»
Dieser lokale Handlungsdruck auf die Kantone ist laut Studie eine Bedingung für erfolgreiches Kantonslobbying. «Wir haben zweitens gesehen, dass die Kantone sehr früh bei der Bundesverwaltung interveniert haben. Und drittens haben die Kantone sich sehr geschickt in einer Allianz verbunden», argumentiert Freiburghaus. Den einen Königsweg nach Bundesbern gebe es für die Stände allerdings nicht. Wichtig sei die Kombination verschiedener Erfolgsfaktoren.