Der Lohnschutz ist ein zentraler Streitpunkt zwischen der EU und der Schweiz. Unter anderem deshalb scheiterten die Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen. Nun aber akzeptiert der Arbeitnehmerdachverband Travailsuisse eine Kürzung der Anmeldefrist für EU-Unternehmen bei Arbeiten in der Schweiz von acht auf fünf Tage. Wie das der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB sieht, erklärt Chefökonom Daniel Lampart.
SRF News: Travailsuisse ist bei der 8-Tage-Regelung zu Konzessionen bereit. Wie steht der Schweizerische Gewerkschaftsbund zu diesen Aussagen?
Daniel Lampart: Wir haben immer gesagt, dass wir bei der Voranmeldefrist gesprächsbereit sind, wenn es konkrete Probleme gibt. Zum Beispiel mit Handwerkern, die in die Schweiz kommen wollen. Vor über zehn Jahren haben wir die Voranmeldefrist schon auf null verkürzt für Notfälle; wenn Firmen Notfälle in der Schweiz beheben müssen oder wenn ein Arbeitnehmer krank wird. Daran hat sich nichts geändert.
Also könnten Sie mit dieser verkürzten Frist von fünf Tagen gut leben?
Es ist weniger eine Frage von Tagen. Sondern es geht darum, was die konkreten Probleme bei den Firmen sind, die in die Schweiz kommen wollen. Da sind wir gesprächsbereit. Aber wir müssen konkrete Probleme lösen und nicht allgemeine Diskussionen führen. Man muss auch wissen, dass bei einer generellen Verkürzung der Voranmeldefrist die Qualität des Lohnschutzes schlechter wird. Das heisst, dass die Lohnkontrollen weniger wirksam sind als heute.
Sie haben in Notfällen auch die 0-Tage-Frist vorgeschlagen. Trotzdem weigerten sich die Gewerkschaften bisher, eine verkürzte Frist generell zu akzeptieren. Woher kommt dieses Umdenken?
Es ging nie um diese Voranmeldefrist. Sondern es geht im Wesentlichen darum, dass wir unsere Löhne eigenständig schützen müssen. Das heisst, dass wir in der Schweiz bestimmen müssen, wie wir den Lohnschutz machen, und nicht etwa Brüssel oder ein süddeutscher Handwerker.
Wir in der Schweiz müssen bestimmen, wie wir den Lohnschutz machen.
Beim Vorschlag von Bundesrat Cassis, der ausgehandelt wurde, hätten wir den ganzen Lohnschutz unter EU-Rechte geben müssen. Das hätte die Folge gehabt, dass die EU-Kommission verschiedene Elemente unseres Lohnschutzes attackiert hätte. Das hätten wir nicht akzeptieren können.
Abgesehen von dieser 8-Tage-Regel oder 5-Tage-Regel: Gäbe es noch andere Bereiche, wo die Gewerkschaften zu konkreten Konzessionen gegenüber der EU bereit wären?
Wir sind immer gesprächsbereit, wenn es darum geht, wie die flankierenden Massnahmen und der Lohnschutz angewendet werden. Wenn es da Hindernisse für Firmen aus dem Ausland gibt, sind wir gesprächsbereit. Wir diskutieren aber nicht über die Eigenständigkeit unseres Lohnschutzes.
Wir brauchen den besten Lohnschutz in Europa.
Wir haben die höchsten Löhne in ganz Europa. Wir sind extrem offen für ausländische Firmen. Deutsche können auf Deutsch operieren, Franzosen auf Französisch. Das ist in keinem europäischen Land der Fall. Und wir brauchen den besten Lohnschutz in Europa. Das müssen wir bestimmen können, nicht die EU-Kommission.
Das heisst, in diesen Verhandlungen mit der EU ist die Position der Gewerkschaften dieselbe geblieben?
Ja, wir haben die Position, dass wir auf den eigenständigen Lohnschutz bestehen und unser Lohnschutz nicht geschwächt wird. Aber wenn es in der konkreten Anwendung des Lohnschutzes Probleme gibt für Firmen aus dem Ausland, dann werden wir diese Probleme lösen. Das war schon in der Vergangenheit so und das wird auch künftig so sein.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.