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Mangel an Corona-Impfstoff «Zwangslizenzen werden kein schnelles Produzieren ermöglichen»

Die Welt wartet auf Impfstoff-Dosen gegen das Coronavirus, sei es von Moderna, Pfizer/Biontech oder Astra-Zeneca. Es stellt sich die Frage: Liesse sich die Produktion nicht beschleunigen – mit Zwangslizenzen? Nein, meint der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth.

Zur Person

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Volkart Wildermuth (*1962) ist ein deutscher Biochemiker und freier Wissenschaftsjournalist. Er arbeitet unter anderem für den Südwestrundfunk und Deutschlandfunk.

SRF News: Woran liegt es, dass Impfstoffproduzenten wie Pfizer/Biontech oder Moderna in der Krise ihr Wissen nicht weitergeben?

Volkart Wildermuth: Da gehen die Firmen einfach unterschiedliche Wege. Astra-Zeneca, das Unternehmen aus Grossbritannien, hat ja schon global Lizenzen gestreut, unter anderem an das Serum Institute of India, den weltweit grössten Hersteller von Impfstoffen. Auch Johnson & Johnson hat Kontakte aufgenommen zur südafrikanischen Firma Espen Pharmaceuticals.

Pfizer/Biontech wollen die Produktion in der eigenen Hand belassen, haben aber auch Kooperationen geschlossen. Auch sie liefern natürlich in die ganze Welt. So haben sie etwa mit Covax Verträge abgeschlossen. Das ist der globale Versuch der Weltgesundheitsorganisation, Impfstoffe auch an die ärmeren Länder zu verteilen.

Aber das löst ja das Problem nicht, dass noch zu wenig Impfstoff hergestellt wird?

Genau. Natürlich können die Firmen immer nur verkaufen, was sie auch produzieren können. Aber alle Unternehmen fahren ihre Produktion hoch in einem Masse, das es so weltweit noch nie gegeben hat. Milliarden von Dosen von unterschiedlichen Impfstoffen werden innerhalb dieses Jahres hergestellt – das ist in jedem Fall schon mal ein gigantischer Schritt in die richtige Richtung. Und da wird auch kooperiert. Biontech/Pfizer haben mit Sanofi und Novartis Verträge geschlossen, die den Impfstoff abfüllen sollen.

De facto fehlt aber einfach Impfstoff. Könnte die Regierung die Firmen nicht zwingen, ihre Impfstoffrezepturen weiterzugeben?

Das ist eine Möglichkeit und global auch vorgesehen. Aber Zwangslizenzen werden das schnelle Produzieren nicht ermöglichen. Impfstoffherstellung ist ein sehr komplexes Geschäft. Wenn man eine Zwangslizenz erteilt, dann gibt das Firmen das Recht, die Information der Patentschrift zu verwenden, um den Impfstoff lokal herzustellen. Das Problem: Es ist nicht so einfach, eine Impfstoffproduktion hochzufahren.

Zwangslizenzen bedeuten, dass man sich das ganze Know-how selbst erarbeiten muss. Das wird nicht innerhalb von einem halben Jahr geschehen.

Da gibt es ein gutes Beispiel: Biontech hat in Marburg die Bering-Werke, einen traditionellen Impfstoffhersteller, übernommen. Also haben sie schon mal ganz viel Know-how vor Ort. Das war im September, und im Februar haben sie mit der eigentlichen Impfstoffproduktion begonnen. Und wenn man Zwangslizenzen macht, muss man sich dieses ganze Know-how selbst erarbeiten. Das wird nicht innerhalb von einem halben Jahr geschehen. Es wird dann eher ein, zwei Jahre dauern.

Könnte man nicht zumindest mehr Firmen einbinden, die bei der Produktion mithelfen?

Das ist sicher eine Sache, die entscheidend ist. Das ist bei den Rohstoffen relevant. Bei mRNA-Impfstoffen zum Beispiel von Biontech/Pfizer braucht es spezielle Lipide, mithilfe derer der Impfstoff in die Zellen gelangt. Vor der Corona-Pandemie, da ging es noch um Krebs-Impfstoff, hatten Biontech/Pfizer Bedarf an Lipiden für 10’000 Dosen. Jetzt wollen sie plötzlich Milliarden Dosen herstellen. Das ist also auch eine gigantische Ausweitung der Produktion dieser Rohmaterialien. Biontech/Pfizer haben gerade einen Vertrag mit Merck gemacht, das jetzt dabei ist, diese Lipide herzustellen. Die Firmen knüpfen also auch aus eigenem Interesse diese Netzwerke, um ihre Produktion auszuweiten.

Das Gespräch führte Susanne Stöckl.

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SRF 4 News, 11.3.2021, 17:15 Uhr ; 

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