In der Schweiz leiten immer mehr Frauen einen Bauernbetrieb. Trotzdem werden weiterhin 94 Prozent der Höfe von Männern geführt. Das habe vor allem kulturelle Gründe, sagt die Journalistin Julia Spahr.
SRF News: Wieso werden bloss sechs Prozent aller Bauernbetriebe von einer Frau geleitet?
Julia Spahr: Um einen Betrieb leiten zu können, braucht man zunächst einmal einen Betrieb. Meist wird bei der Weitergabe immer noch ein Sohn berücksichtigt. Die Töchter halten sich zurück und schlagen oft einen anderen Lebens- und Berufsweg ein. Auch sind sich viele Eltern nicht bewusst, dass eine Tochter eine potenzielle Nachfolgerin sein könnte.
In den letzten Jahren hat die Zahl der Bauernbetriebsleiterinnen stetig zugenommen. Wieso?
Es gibt einen Strukturwandel – die Zahl der Bauernbetriebe nimmt ab, damit gibt es immer weniger Betriebsleiter. Es gibt aber auch einen Kulturwandel – die Frauen werden selbstbewusster und Mütter ermuntern ihre Töchter, eine Bauernausbildung in Angriff zu nehmen.
Die meisten Frauen in der Landwirtschaft leiten keinen eigenen Betrieb, sie gelten als sogenannte «familieneigene Mitarbeiterinnen». Was bedeutet das?
Weil die Frauen meist keinen Betrieb übernehmen können, heiraten sie einen Bauernbetriebsleiter, kommen auf den Hof. Dort kümmern sie sich vor allem um die Erziehung der Kinder, die Betreuung der Schwiegereltern, den Haushalt und verrichten Arbeiten auf dem Betrieb.
Plötzlich steht die Bäuerin mit leeren Händen da, obschon sie ihr Leben lang gearbeitet hat.
Wenn das nicht richtig geregelt ist, dann kann es sein, dass eine Frau ihr Leben lang auf dem Bauernbetrieb arbeitet, aber als nichterwerbstätig gilt. Wenn sie später in Rente geht, erhält sie bloss eine minimale AHV-Rente. Kommt es in einem solchen Fall zur Scheidung, steht die Frau plötzlich mit leeren Händen da, obschon sie ihr Leben lang gearbeitet hat.
Der Bundesrat hat das erkannt und plant mit der Agrarpolitik 22+ in diesem Bereich gewisse Anpassungen. Was sagen die Bauernfrauen dazu?
Die Meinungen gehen auseinander. Der Bäuerinnen- und Landfrauenverband ist dafür, dass die Bauern künftig die AHV ihrer Ehefrauen einzahlen müssen, wenn sie noch Direktzahlungen des Bundes erhalten wollen. Manche Frauen kritisieren aber, dies schränke die unternehmerische Freiheit eines Betriebs ein. Es gibt auch die Angst, dass der Bauernbetrieb die neuen Auslagen nicht stemmen und zugrunde gehen könnte.
Seit 20 Jahren nimmt die Zahl der ausgebildeten Landwirtinnen stetig zu.
Die Zahl der Frauen, die einen Bauernbetrieb leiten, nimmt stetig zu – ist eine Zunahme auch bei den Frauen festzustellen, die eine entsprechende Ausbildung absolvieren?
Bei den auszubildenden Landwirtinnen nehmen die Zahlen seit 20 Jahren stetig zu. Daneben gibt es auch die Ausbildung zur Bäuerin, deren Abschluss ebenfalls dazu berechtigt, einen Bauernbetrieb zu leiten.
Die Statistik zeigt, dass die Frauen auf den Bauernhöfen immer wichtiger werden. Ist das den Bäuerinnen und Landwirtinnen auch bewusst?
Es ist wohl wie in anderen Branchen auch: Die Frauen bekommen mehr Selbstvertrauen und ein verändertes Selbstverständnis. Die Bäuerin ist zudem sehr wichtig für das Image der Landwirtschaft. Die Frauen tragen das «Echte», das «Schöne» und das «Naturnahe» der Landwirtschaft nach aussen – und das in Zeiten, in denen der Berufsstand mitunter scharfer Kritik ausgesetzt ist.
Das Gespräch führte Silvan Zemp.