Wie viele Rappen sollen Milchbauern für einen Liter Milch bekommen? Diese Frage beschäftigt die Politik seit Jahren. Aktuell sind es durchschnittlich gut 60 Rappen. Das sei zu wenig, finden die Milchproduzentinnen und -produzenten. Viele haben in den letzten Jahren ihre Betriebe aufgegeben.
Aktuell gibt es in der Schweiz noch gut 19'000 Milchbauernbetriebe. Vor zwanzig Jahren waren es noch mehr als doppelt so viele. Eine junge Milchbäuerin aus dem Kanton Waadt hat jetzt eine Kooperative gegründet, die den Produzenten einen Franken pro Liter Milch garantiert.
Nicht jammern, sondern handeln
«Mes filles» – «meine Mädchen»: So nennt Anne Chenevard liebevoll ihre 40 Milchkühe im Stall. Die 39-Jährige hat vor einigen Jahren in der Nähe von Lausanne den elterlichen Bauernbetrieb übernommen.
Der finanzielle Druck sei hoch, doch sie habe nicht jammern wollen, sondern handeln. «Es ist an uns Milchproduzentinnen und -produzenten, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen», sagt sie überzeugt.
So gründete Anne Chenevard eine Kooperative. Vorbild waren ähnliche Projekte in anderen europäischen Ländern. Im ersten halben Jahr sind die Erwartungen übertroffen worden. 200'000 Liter faire Milch wollte man verkaufen, mit 1.2 Millionen Litern sind es jetzt schon sechsmal mehr.
Die Milchbäuerin ist überzeugt, dass die Coronakrise dem Projekt zusätzlichen Schub verliehen hat. Das Bewusstsein bei der Kundschaft für lokale Produktion sei gestiegen.
1.80 statt 1.50 Franken pro Liter
Anfänglich konnte Anne Chenevard 14 Produzentinnen und Produzenten für ihr Projekt begeistern – hauptsächlich aus der Romandie. Inzwischen sind 25 weitere dazugekommen, auch aus der Deutschschweiz. Und bereits gibt es eine Warteliste.
Ein Franken kommt direkt den Bäuerinnen und Bauern, den Familienbetrieben, zugute.
Vertrieben wird die faire Milch «Faireswiss» von Manor und neu auch von den Supermarktketten Spar und Pam. Statt 1.50 Franken kostet der Liter Milch 1.80 oder 1.90 Franken. «Die Stärke des Projekts liegt darin, dass klar ersichtlich ist, ein Franken kommt direkt den Bäuerinnen und Bauern, den Familienbetrieben, zugute», betont Bäuerin Chenevard.
Ein Tropfen auf den heissen Stein
Auch wenn der Start des Projekts vielversprechend ist: Kritische Stimmen bemängeln, es sei nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Tatsächlich ist bis jetzt nicht einmal jeder tausendste verkaufte Liter Milch in der Schweiz faire Milch nach «Faireswiss».
Ziel sei denn auch ein breiterer Vertrieb, damit die Konsumentinnen und Konsumenten eine echte Wahl hätten, sagt Chenevard. Verschiedene Grossverteiler hätten jedoch ihre eigenen Labels.
Eines sei aber klar: Sollte auch sie eines Tages den Betrieb nicht mehr weiterführen können, wisse sie wenigstens, dass sie gekämpft habe, sagt Chenevard und wendet sich wieder ihren Milchkühen zu.