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Milliarden-Mehrkosten für F-35 Schweizer Rüstungsindustrie bangt um wichtige Aufträge

Wegen drohender Mehrkosten für den F-35 prüft das VBS Sparmöglichkeiten. Ins Visier geraten sogenannte Offset-Geschäfte. Besonders gefährdet ist ausgerechnet ein Prestigeprojekt des staatlichen Rüstungskonzerns Ruag.

Nicht nur Sicherheitspolitikerinnen, Bundesräte oder Steuerzahler sind zerknirscht ob der möglichen Milliardenforderung der USA beim F-35-Kampfjet. Auch in der Rüstungsindustrie ist die Stimmung getrübt. «Für uns ist es eine kleine Katastrophe. Denn insbesondere unser Offset-Anteil gerät nun unter Druck», sagt Matthias Zoller. Er ist beim Branchenverband Swissmem zuständig für die Rüstungsindustrie.

Mit diesen Offset- oder Kompensationsgeschäften meint Zoller Aufträge, die der F-35-Hersteller Lockheed Martin an Schweizer Firmen vergibt – als Gegengeschäft für den Kampfjetkauf. Offset kostet: Lockheed Martin schlägt den Aufwand für die Gegengeschäfte auf den Jetpreis drauf.

Kürzungen bei Gegengeschäften?

Jetzt, da die Kosten für den F-35 explodieren, überlegt sich das VBS auch beim Offset Einsparungen. Das gab Rüstungschef Urs Loher am Mittwoch bekannt: «Es wird auch eine Teilkompensation durch eine Anpassung der Offset-Verpflichtungen geprüft.»

Besonders «gefährdet» ist ein Auftrag an den bundeseigenen Rüstungskonzern Ruag. Sie möchte vier der 36 Schweizer F-35 selbst in ihren Werkstätten in Emmen zusammenbauen.

Ruag-Werkstätte in Emmen.
Legende: Laut zwei mit dem Projekt vertrauten Personen verrechnet Lockheed Martin der Schweiz alleine für das Ruag-Projekt 200 Millionen Franken. Bild: Ruag-Werkstätte in Emmen. Keystone/Peter Klaunzer

Für einen Verzicht auf das Prestigeprojekt sprechen somit die Einsparungen, die damit möglich wären. Aber auch das Projekt selbst harzt gewaltig, wie der stellvertretende Generalsekretär des VBS, Robert Scheidegger, an der Medienkonferenz erklärte: «Bis heute konnte nicht aufgezeigt werden, wie das Projekt wirtschaftlich und nachhaltig umgesetzt werden kann.» So brauche es «erhebliche Investitionen» in die Infrastruktur. Zudem sei der Zusammenbau einer derart kleinen Anzahl Flugzeuge relativ kostspielig.

Abbruch «möglich bis wahrscheinlich»

Die nötigen Investitionen in den Ruag-Werkstätten in Emmen wären gross – und die Schweizer Armee könnte erst in zehn Jahren vom Know-how profitieren. Dann nämlich, wenn am F-35 die ersten grossen Unterhaltsarbeiten anfielen. «Bis dahin wäre die Ruag auf Aufträge von ausländischen F-35-Nutzern angewiesen», so Scheidegger. Doch offenbar sind solche Aufträge aus dem Ausland nicht garantiert.

Opfert das VBS sein Prestigeprojekt aufgrund der Probleme und des Spardrucks? Ruag und VBS haben sich auf Anfrage bislang nicht geäussert. Zwei Insider, mit denen Radio SRF sprechen konnte, halten einen Abbruch aber für «möglich bis wahrscheinlich».

F35 bei Medienanlass in der Schweiz.
Legende: Mit einem Wegfall des Ruag-Projekts wären 200 Millionen Franken gespart. Wie stark die übrigen Offset-Geschäfte den Kampfjet verteuern – wie viel also hier eingespart werden könnte – ist nicht bekannt. Keystone/Urs Flüeler

Linke Politikerinnen und Politiker sehen Gegengeschäfte seit jeher kritisch. Wenn die Schweiz unbedingt am F-35 festhalten wolle, brauche es Kürzungen beim Offset, sagt SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf. «Ein Verzicht oder ein Teilverzicht auf die Kompensationsgeschäfte wäre eine Möglichkeit, den Preis runterzukriegen.»

Wenn nun auch noch dieser Türöffner des Offsets wegfällt, stehen wir mit dem Rücken zur Wand.
Autor: Matthias Zoller Vertreter der Rüstungsindustrie beim Branchenverband Swissmem

Matthias Zoller, der Vertreter der Sicherheits- und Rüstungsindustrie, warnt: «Wir stehen schon wegen der sehr restriktiven Exportbedingungen massiv unter Druck. Wenn nun auch noch dieser Türöffner des Offsets wegfällt, stehen wir mit dem Rücken zur Wand.»

Völlig frei könnte das VBS den Rotstift nicht ansetzen. Das Parlament hat beim Entscheid über den Sechs-Milliarden-Kredit für neue Kampfjets Vorgaben zum Umfang der Offset-Geschäfte gemacht. Es bräuchte also einen neuen Beschluss. Trotzdem: Seit Mittwoch bangt die Rüstungsindustrie um wichtige Aufträge – am stärksten wohl die Ruag.

Echo der Zeit, 26.06.2025, 18 Uhr

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