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Kassensturz beim Kampfjet Lässt sich das Milliarden-Debakel beim F-35 noch verhindern?

Seit Mittwoch ist klar: Der Kauf der F-35-Kampfjets könnte die Schweiz deutlich mehr kosten als die sechs Milliarden Franken, die die frühere Verteidigungsministerin Viola Amherd mantraartig wiederholte. Die USA sprechen von einem «Missverständnis» – und verlangen bis zu 1.3 Milliarden mehr. SRF-Inlandredaktor Tobias Gasser schätzt ein, wer am längeren Hebel sitzt.

Tobias Gasser

Inlandredaktor

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Seit 2005 arbeitet Tobias Gasser bei SRF, zuerst bei «10vor10» und «Tagesschau». Ab 2011 war er Produzent beim «Echo der Zeit» und ist seit 2019 Inlandredaktor bei Radio SRF.

Sind Rechtsgutachten zum Fixpreis der F-35 der Schweizer Trumpf?

Das VBS hat sich bei seiner Argumentation, dass es einen Fixpreis von sechs Milliarden für die Kampfjets gibt, auf diverse Rechtsgutachten gestützt. Wer sie erstellt hat, weiss man noch nicht. Aus einer Untersuchung der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats geht hervor, dass die Zürcher Kanzlei Homburger das VBS einmal bei der Auslegung beraten hat, was ein Fixpreis sei. Später gab es zwei weitere Gutachten im Auftrag des Rüstungschefs Urs Loher.

Urs Loher mit Bundesrat Martin Pfister an der Medienkonferenz vom Mittwoch.
Legende: Bei seinem Amtsantritt im Sommer 2023 wollte Loher die Fixpreis-Frage noch einmal klären lassen. Welche Kanzleien die Gutachten erstellt haben, ist nicht bekannt. Keystone / Anthony Anex

Ob die Kanzleien die nötige Kompetenz haben, um solche Rüstungsgeschäfte zu beurteilen, lässt sich angesichts dieser Informationslage nicht abschliessend beurteilen. Eine spezialisierte Anwaltskanzlei in den USA hat uns bestätigt, dass die USA keine Fixpreise anbieten können.

War das Verteidigungsdepartement naiv?

Ob naiv oder billigend in Kauf genommen – diese Frage wird sich bei der politischen Aufarbeitung stellen. Das VBS hat in der Vergangenheit bereits Rüstungsgüter aus den USA beschafft. Dass man von den USA bei Vertragsabschluss keinen garantierten Festpreis erhält, hat es früher transparent kommuniziert. Es würde erstaunen, wenn das Wissen, wie das US-Rüstungsexportprogramm Foreign Military Sales (FMS) funktioniert, im Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) verloren gegangen sein sollte.

«Kostendebakel» beschäftigt Bundesbern

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Im Herbst 2020 hat das Volk der Beschaffung der F-35-Kampfjets zugestimmt – mit hauchdünner Mehrheit von 50.1 Prozent. Jahrelang hiess es, der Festpreis von sechs Milliarden sei vertraglich abgemacht und von der US-Botschaft öffentlich bestätigt worden. Nun sprach Amherds Nachfolger Martin Pfister von zusätzlichen Kosten von bis zu 1.3 Milliarden Franken – und bestätigte damit Recherchen von SRF.

Entsprechend gross ist der Aufschrei von SP und Grünen, die eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) fordern. Doch auch im bürgerlichen Lager hält man nicht mit Kritik zurück. Die SVP spricht etwa von einem «blamablen Kostendebakel».

Bereits die Beschaffung der F/A-18-Kampfjets lief über das FSM-Programm. Das damalige Eidgenössische Militärdepartement hat offen deklariert, dass der Kaufpreis eine «bestmögliche Schätzung» und kein Festpreis sei.

Botschaft über die Beschaffung von Kampfflugzeugen (Rüstungsprogramm 1992) vom 18. Dezember 1991
Legende: Rüstungsprogramm 1992 / Eidgenössisches Militärdepartement

Hat Armasuisse Warnungen ignoriert?

Die Eidgenössische Finanzkontrolle warnte noch vor Abschluss des Kaufvertrags, dass es keine rechtliche Sicherheit für einen Festpreis gebe. Armasuisse argumentiert, man habe einen solchen mit den USA ausgehandelt. Zentral ist dabei ein Vertragszusatz, in dem ein Fixpreis vereinbart worden sein soll. SRF hatte Einblick in das Dokument. Für die USA könnte der Passus womöglich eher eine Sprachregelung als ein verbindlicher Vertragsbestandteil sein.

F-35-Kampfjet
Legende: Die Schweiz hat keine Möglichkeit, den Fixpreis auf juristischem Weg einzufordern. Einen Gerichtstand, um strittige Fragen zu klären, sieht das FMS-Programm der USA nicht vor. Keystone/PA/ Amber Mayall

Bei der Kampfjetevaluation buhlten diverse Länder um den Zuschlag der Schweiz. Das Kostendach, über das die Schweizer Bevölkerung abgestimmt hatte, belief sich auf sechs Milliarden Franken. Alle Anbieter mussten sich zu diesem finanziellen Rahmen bekennen. Dieser besagte Vertragszusatz könnte in diesem Zusammenhang zu verstehen sein.

Was kann die Schweiz auf diplomatischen Weg erreichen?

Bundesrat Martin Pfister erklärte gestern, die USA hätten ein Interesse daran, als verlässlicher Partner im Rüstungsbereich wahrgenommen zu werden. Ausschliessen lässt sich ein Deal mit der Trump-Regierung nicht. Denkbar sind Gegengeschäfte in anderen Dossiers. Dies würde aber bedeuten, dass die USA die Schweizer F-35 subventionieren würden.

Letztlich würden die amerikanischen Steuerzahler für die eigenen F-35 mehr bezahlen als die Schweizer. Es ist also Skepsis angezeigt, ob Nachverhandlungen das «Missverständnis» aus der Welt räumen können.

Rendez-vous, 26.6.2025, 12:30 Uhr ; 

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