Sie heissen Zaker, Saleh oder Saifullah. Aber auch Fabian, Florian und Bruno. Sie alle gehören zu den A-Junioren des FC Witikon, einem mittelgrossen Fussballverein am Stadtrand von Zürich. Konzentriert stehen sie im Kreis und spielen sich den Ball zu. Zwei Spieler müssen versuchen, den Ball abzufangen. Ein Bild, wie es auf Tausenden Fussballplätzen landauf, landab zu sehen ist. Doch der FC Witikon ist anders als andere Fussballvereine.
Der Grund: Wohl in kaum einem anderen Verein wurde versucht, auf einen Schlag 20 afghanische Jugendliche zu integrieren. Sogenannte MNA («Mineurs non accompagnés»), 16- bis 17-jährige Männer, die alleine in die Schweiz geflüchtet sind. Nebst schwierigen Geschichten brachten sie eines mit: die Leidenschaft fürs Fussballspielen. Zu Hause hatten sie immer Fussball gespielt, auf der Strasse oder im Klub. Bis es von den Taliban verboten wurde.
«Alle wollten Fussball spielen», erinnert sich Philipp Burkhardt. Er arbeitet für die Asylorganisation Zürich (AOZ) und betreute die Jugendlichen im Durchgangszentrum in Volketswil. «Es ist auch unser Auftrag vom Kanton, dass wir aktiv Plätze suchen für die Freizeitgestaltung.»
Die Fremden irritierten anfänglich
Philipp Burkhardt organisierte Fussballtrainings für die fussballverrückten Jugendlichen. Wer gut genug schien, durfte zum Probetraining des FC Witikon. Und das waren viele. 20 durften schliesslich bleiben. «Der Präsident vom FC Witikon war sehr offen. Aber ich habe oft gezittert», erzählt Burkhardt. «Dass es so viele waren, sorgte für Irritation bei den Schweizer Spielern.» Denn die Afghanen seien zuerst unter sich geblieben, hätten sich die Bälle zugespielt und ihre Sprache gesprochen, Farsi oder Dari. Etwas gesagt oder sich gewehrt, hätten die einheimischen Jugendlichen aber nicht.
Die Schweizer Spieler dürfen auch etwas einfordern. Sie müssen sich nicht überrollen lassen.
Erst in einer anonymen Umfrage wurde das Unbehagen deutlich. Burkhardt reagierte umgehend. Im Training wies er die afghanischen Jugendlichen immer wieder darauf hin: «Hier sprechen wir Deutsch.» Den Schweizer Spielern sagte er, sie dürften auch etwas einfordern. Sie müssten sich nicht überrollen lassen. «Integration ist etwas Beidseitiges», ist er überzeugt. Jetzt laufe es viel besser. Das sagen auch die Spieler, Schweizer und Afghanen.
«Am Anfang war es schwierig», erzählt Zaker. «Aber jetzt habe ich viele Kollegen und das ist gut.» «Wir sind jetzt eine Mannschaft. Und wir sprechen jetzt auch Deutsch», betont Manzor. Das bestätigt Diego, ein Stammspieler bei den Junioren. «Nach fast einem Jahr haben sich ihre Deutschkenntnisse stark verbessert. Und es haben sich freundschaftliche Beziehungen aufgebaut.»
Afghanische Spieler füllten die Lücken im Kader
Auch Martin Grob, Präsident des FC Witikon, bereut das Experiment nicht. Obwohl der Aufwand, auch der administrative, beträchtlich sei. Die wenigsten der afghanischen Jugendlichen hätten einen Pass. Eigentlich die Voraussetzung für eine Spielerlizenz. «Bis dann alles geklärt ist und der Fussballverband die nötigen Dokumente geprüft hat, dauert es mehrere Wochen.»
Und er räumt ein: Bei der Aktion war auch etwas Eigeninteresse im Spiel. Bei vielen Schweizer Jugendlichen stehe im Alter von 17 Jahren die Ausbildung, die Freundin oder anderes im Zentrum. Das Kader sei deshalb ausgedünnt gewesen. Die afghanischen Jugendlichen konnten die Lücken schliessen.