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Mindestlohn-Initiative Mehr Lohn heisst höhere Preise

Die Löhne im Gastgewerbe sind – nicht zuletzt auf Druck der Gewerkschaften – in den vergangenen Jahren um rund einen Viertel gestiegen. Da stellt sich im Hinblick auf die Abstimmung über die Mindestlohn-Initiative die Frage, wie gut die Branche dies verkraftet hat.

Für Hannes Jaisli vom Branchenverband Gastrosuisse ist klar: Nach den Lohnerhöhungen der letzten Jahre liegt nichts mehr drin. «Mittlerweile machen die Personalkosten im Gastrobereich knapp 50 Prozent aus – und mehr als die Hälfte der Betriebe macht durchschnittlich Verluste», sagt Jaisli. Dies hätten die neuesten Erhebungen seines Verbandes ergeben. «Das sind Alarmzeichen.»

4000 Fr. pro Monat

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Die Mindestlohn-Initiative, über die am 18. Mai abgestimmt wird, verlangt einen gesetzlichen Mindestlohn in der Schweiz in Höhe von 22 Franken pro Stunde. Dies entspricht einem Monatslohn von rund 4000 Franken bei einem 100-Prozent-Pensum.

Mehr Lohn nicht möglich

Jedes zweite der 27'000 Restaurants und Hotels in der Schweiz könne nur noch deshalb überleben, weil der Chef sich selber keinen anständigen Lohn auszahle. Auch könne er kein Geld zurücklegen, um den Betrieb zu modernisieren. Weitere deutliche Lohnerhöhungen lägen deshalb nicht drin, sagt der Vizedirektor von Gastrosuisse: «Nicht, dass wir nicht möchten – aber wir können schlicht und einfach keine höheren Löhne bezahlen.»

Im Gastgewerbe seien die Margen tief. Dies Gegensatz etwa zu Modeketten und Schuhhändlern, die nun plötzlich den Mindestlohn auf 4000 Franken erhöht hätten, ergänzt Jaisli. Zwischen den Zeilen gibt er damit zu verstehen, dass ihn diese wohl bloss abstimmungstaktisch motivierten Lohnerhöhungen ärgern: Dadurch entstehe der Eindruck, die Wirtschaft könne ja ohne weiteres höhere Löhne bezahlen.

Seit 2005 seien in der Schweiz 4000 Beizen und Hotels geschlossen worden, und die Zahl der Beschäftigten habe um 10 Prozent abgenommen auf noch 215'000 Personen, so Jaisli weiter.

Wer ist Schuld am Beizensterben?

Diese Zahlen kennt auch der Ökonom Beat Baumann von der Gewerkschaft Unia. Allerdings interpretiert er sie anders: «Die Zahl der Beschäftigten ist strukturbedingt zurückgegangen.» Baumann führt den starken Franken als Begründung für den Strukturwandel ins Feld.

Auch sei ein Merkmal des Gastrogewerbes eine hohe betriebliche Dynamik: «Es gibt viele Neueröffnungen, aber auch viele Restaurants, die dann wieder schliessen.» Dass Stellen in der Gastronomie verlorengegangen seien, habe also auch andere Gründe als die Lohnerhöhungen der letzten Jahre.

Zudem seien die Lohnerhöhungen für die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit gut gewesen. Das Gastgewerbe habe sich vom Image einer Tieflohnbranche lösen können, so Baumann. Auch würden höhere Löhne für mehr Qualität sprechen, für besser ausgebildetes und motiviertes Personal. Deshalb rechnet der Gewerkschafter vor, das Gastgewerbe könnte auch einen weiteren Lohnschritt verkraften.

Höhere Löhne bedeuten höhere Kosten

Der Unia-Ökonom gibt sich überzeugt, dass eine Anhebung des Mindestlohns auf 22 Franken pro Stunde nur kleine Preiserhöhungen in den Restaurants zur Folge hätte. Dazu kann Gastrosuisse-Vertreter Jaisli keine Angaben machen. Sein Verband habe versucht, die Folgen abzuschätzen. Doch: «Es hat derart viele unklare Faktoren, dass jede Zahl, die man berechnet, sowohl wahr wie auch falsch ist.»

Klar ist jedenfalls: Höhere Löhne bedeuten höhere Kosten. Letztlich wird es an den Gästen liegen zu entscheiden, ob sie etwas tiefer ins Portemonnaie greifen wollen, um dem Kellner oder dem Zimmermädchen einen Stundenlohn von 22 Franken zu gönnen.

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