Die Bevölkerung von Blatten soll ihre Heimat zurückbekommen – und zwar möglichst schnell. Bereits 2029 soll das «neue Blatten» stehen. Nun legt die Kantonsregierung ein Sondergesetz vor, mit welchem das Vorhaben kräftig vorangetrieben werden soll. Wallis-Korrespondentin Ruth Seeholzer ordnet ein.
Warum braucht es ein Sondergesetz?
Blatten soll wiederaufgebaut werden, das hat die Politik mehrfach bekräftigt. Doch ein Dorf wiederaufzubauen, ist komplex und herausfordernd. Neue Raumplanung, Bewilligungsprozesse, Arbeitsvergaben – das alles ist gesetzlich geregelt und braucht Zeit. Zeit, die man gemäss Walliser Politik nicht hat. Deswegen brauche es im Fall Blatten Ausnahmeregelungen, ist die Kantonsregierung überzeugt. Im Auftrag des Kantonsparlaments hat sie ein Sondergesetz in Form eines Dekrets ausgearbeitet.
Bergsturz von Blatten zerstört historisches Dorf
-
Bild 1 von 7. Innert Sekunden begraben die Geröllmassen das Lötschental. Das ganze Ausmass ist wegen der Staubwolke zuerst kaum sichtbar. Bildquelle: SRF.
-
Bild 2 von 7. Am 28. Mai 2025 verschüttete ein gigantischer Bergsturz das Dorf Blatten im Lötschental. Bildquelle: Keystone / Michael Buhholzer.
-
Bild 3 von 7. Riesige Geröllmassen begruben das ganze Dorf unter sich. Bildquelle: Keystone / Jean-Christophe Bott.
-
Bild 4 von 7. Nur wenige Häuser blieben von Blatten übrig. Schon bald verschluckte sie jedoch ein See, welcher durch den Schuttkegel aufgestaut wurde. Bildquelle: Keystone / Jean-Christophe Bott.
-
Bild 5 von 7. Wo früher ein Dorf war, blieben nur noch Trümmer. Bildquelle: Keystone / Jean-Christophe Bott.
-
Bild 6 von 7. Mehrere hundert Menschen verloren ihr Hab und Gut. Bildquelle: Keystone / Jean-Christophe Bott.
-
Bild 7 von 7. Die Zukunft des Lötschentals ist nach dem Bergsturz ungewiss. Bildquelle: Keystone / Michael Buholzer.
Was wird im Sondergesetz geregelt?
Wichtig ist: Das Dekret kommt explizit nur bei den Folgen des Bergsturzes im Lötschental zur Anwendung und gilt für fünf Jahre. Das Sondergesetz besteht aus 27 Artikeln und regelt diverse Bereiche des Wiederaufbaus: Zuständigkeiten, Ablauf von juristischen Verfahren, Finanzierungskompetenzen. Es sieht zum Beispiel eine kantonale Strategiegruppe vor, bestehend aus Fachpersonen der Verwaltung. Diese legt die Leitlinien sowie die Prioritäten für den Wiederaufbau fest. Eine kantonale Koordinationsgruppe – für diese werden sieben neue Stellen geschaffen – ist für die Überwachung zuständig, schaut, dass die Leitlinien eingehalten werden.
Wie will die Regierung den Wiederaufbau konkret beschleunigen?
Die Regierung will vieles selbst in die Hand nehmen. So sieht das Sondergesetz vor, die finanziellen Kompetenzen der Regierung auszuweiten. Heisst: Die Regierung kann Ausgaben von bis zu 30 Millionen Franken tätigen, ohne dass diese dem Parlament vorgelegt werden müssen. Normalerweise liegt die Grenze bei vier Millionen Franken. Die Walliser Finanzdirektorin Franziska Biner betont, diese Ausweitung sei nötig, um möglichst schnell mit dem Bau der Kantonsstrasse nach Blatten beginnen zu können.
Was ist in Bezug auf juristische Verfahren vorgesehen?
Auch hier ist das Dekret auf Tempo getrimmt. Ein Beispiel: Enteignungen. Ein Landbesitzer kann enteignet werden, sobald entschieden ist, dass sein Stück Land für den Wiederaufbau gebraucht wird. Insgesamt werden Verfahren verschnellert: Dienststellen können nicht mehr zu allen Geschäften Stellung nehmen, die öffentliche Auflage wird von 30 auf 20 Tage verkürzt. Auch das ordentliche Vergabeverfahren gilt im Fall Blatten nicht. Heisst: Die Arbeiten für den Wiederaufbau müssen nicht ausgeschrieben werden.
Wie sind die Reaktionen auf das Sondergesetz?
Auf Nachfrage bekräftigen alle Parteien: Blatten muss geholfen werden, egal was es kostet. Hinter vorgehaltener Hand gibt es aber auch leise Kritik: Die Regierung reisse mit dem Sondergesetz die Kompetenzen an sich. Die neue Obergrenze von 30 Millionen Franken könnte im Parlament für Diskussionsstoff sorgen. Vor allem im französischsprachigen Unterwallis sind besorgte Stimmen zu hören, dass Blatten ein Präzedenzfall werden könnte und die Regierung in Bezug auf Tempo und Geld Vorsicht walten lassen sollte. Staatsrechtler Markus Müller sieht im Dekret eine teils entscheidende Einschränkung der demokratischen Rechte. Allerdings könne das Vorgehen der Regierung aber nicht bemängelt werden, vorausgesetzt das Kantonsparlament stimme zu und das Dekret verstosse nicht gegen übergeordnetes Recht.