Seit zehn Jahren verliert die FDP bei nationalen Wahlen kontinuierlich Wähleranteile. Bei den letzten eidgenössischen Wahlen erreichte sie noch 14.3 Prozent – ein historischer Tiefststand.
Seither verlor die FDP auch bei den meisten kantonalen Wahlen Sitze. Unter Präsident Thierry Burkart erhielt die Partei zwar ein klareres Profil – und musste dennoch auf Wähleranteile verzichten.
Im Zweifel wählt man lieber das Original.
Wie das zusammengeht, erklärt die Politologin Chloé Jans von GFS Bern am Beispiel der Migrationspolitik: Die FDP habe versucht, sich bei Migrationsthemen härter zu positionieren. Doch bei den Wahlen konnte die SVP zulegen, nicht die FDP. Denn: «Im Zweifel wählt man lieber das Original», so Jans.
Bisher scheint die FDP also keine Früchte ernten zu können für ihre härtere Linie in Asylfragen.
Wirtschaft wird auch kritisch gesehen
Und auch mit ihrem Wirtschaftskurs drang die FDP offenbar nicht bis zur Wählerschaft durch. Das liegt laut Politologin Jans auch an einem veränderten Umfeld: Was in der wirtschaftsfreundlichen Schweiz für Jahrzehnte gegolten habe – «was gut ist für die Wirtschaft, ist auch gut für die Schweiz» – gelte so nicht mehr.
Die Wirtschaftskritik schadet nicht nur Wirtschaftsanliegen an der Urne, sondern auch der FDP.
«Diese Annahme ist immer mehr unter Druck geraten – man denke an die Abzocker-Diskussion, die Globalisierungskritik oder an das Misstrauen gegenüber Grosskonzernen», so Jans. «Diese Kritikpunkte schaden nicht nur Wirtschaftsanliegen an der Urne, sondern auch der FDP.»
Lateinische Schweiz vernachlässigt?
Für die Freisinnigen sind die lateinischsprachigen Landesteile besonders wichtig: So sind die FDP-Wähleranteile in der Westschweiz und im Tessin deutlich höher als in der Deutschschweiz. Doch in der Westschweiz ist bei den letzten eidgenössischen Wahlen die SVP erstmals an der FDP vorbeigezogen.
Das sind die möglichen Nachfolger von Thierry Burkart
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Bild 1 von 9. Kandidatur offen. Susanne Vincenz-Stauffacher: Die St. Galler FDP-Nationalrätin überlegt sich eine Kandidatur (Stand: 18. August). Sie machte sich einen Namen, indem sie die Individualbesteuerungs-Initiative lancierte. Bildquelle: KEYSTONE/Anthony Anex.
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Bild 2 von 9. Kandidatur offen. Benjamin Mühlemann: Glarner FDP-Ständerat. Der ehemalige Glarner Regierungsrat und Landammann ist erst seit eineinhalb Jahren im Ständerat und dort als Finanzpolitiker aufgefallen. Bildquelle: KEYSTONE/Alessandro della Valle.
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Bild 3 von 9. Kandidatur offen. Damien Cottier: Der Neuenburger FDP-Nationalrat und Fraktionspräsident sagt zwar, die FDP brauche eher eine Deutschschweizer Führung, eine Kandidatur sei aber nicht ausgeschlossen. Bildquelle: KEYSTONE/Anthony Anex.
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Bild 4 von 9. Hat abgesagt. Damian Müller: Der Luzerner FDP-Ständerat zögerte lange, erklärte jedoch jüngst, dass er eher als Brückenbauer innerhalb der Partei fungieren wolle. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Schneider.
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Bild 5 von 9. Hat abgesagt. Andri Silberschmidt: Zürcher FDP-Nationalrat und mit 31 noch sehr jung. Das Amt des Parteipräsidenten komme für ihn denn auch noch zu früh, erklärte der Vater eines sieben Monate alten Sohnes jüngst. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Klaunzer.
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Bild 6 von 9. Hat abgesagt. Maja Riniker: Die Aargauerin amtete bis im Dezember als Nationalratspräsidentin. Anfang Juli sagte die 47-Jährige zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA, dass sie nicht fürs FDP-Präsidium zur Verfügung stehe. Bildquelle: KEYSTONE/Alessandro della Valle.
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Bild 7 von 9. Hat abgesagt. Christian Wasserfallen: Der 44-jährige Berner Nationalrat sagte gegenüber CH Media ab. «Ich war Vizepräsident in der Ära Müller. Ich werde mich nicht um Thierry Burkarts Nachfolge bewerben», liess er verlauten. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Klaunzer.
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Bild 8 von 9. Hat abgesagt. Andrea Caroni: Der Ausserrhoder Ständerat möchte die Nachfolge von Burkart laut den CH-Media-Zeitungen nicht antreten. Er habe sich unter anderem wegen familiärer Prioritäten und seiner Rolle als Ständerat dagegen entschieden, da er zuweilen von der Parteilinie abweiche – was sich ein Parteipräsident weniger erlauben könne. Bildquelle: KEYSTONE/Anthony Anex.
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Bild 9 von 9. Hat abgesagt. Bettina Balmer: Die Zürcher Nationalrätin sitzt seit 2023 in der grossen Kammer und übernahm erst diesen Frühling das Präsidium der FDP Frauen. Zum «Blick» sagte die 59-Jährige, dass sie auf eine Kandidatur verzichte. Bildquelle: KEYSTONE/Alessandro della Valle.
Die SVP war mit dem damaligen Präsidenten Marco Chiesa sehr präsent in der Romandie, ebenso die SP, für die der zweisprachige Co-Präsident Cédric Wermuth oft das Wort ergriff. FDP-Präsident Thierry Burkart hörte man in der Westschweiz hingegen nur selten.
Die Romands haben zweifellos andere Sensibilitäten.
Der Historiker Olivier Meuwly stellt auch fest, dass gerade in der Asylpolitik die Positionen in der Westschweiz anders seien als in der Deutschschweiz. «Die Romands haben zweifellos andere Sensibilitäten», so Meuwly, der selbst Mitglied der FDP sowie Autor mehrerer Bücher zu den Parteien und zur Schweizer Geschichte ist.
«Egal, wie die FDP entscheidet – entweder ist sie näher bei der SVP oder bei den Grünliberalen oder der SP.» Die FDP bewege sich stets in diesem Spannungsfeld.
Und dann ist da noch die Mitte
Auf nationaler Ebene ist die Mitte-Partei die grösste Konkurrentin der FDP. Das betrifft insbesondere auch die Frage, welche Partei wie viele Bundesratssitze hat. Zuletzt hat die Mitte die Wende geschafft, auch dank des Zusammenschlusses mit der BDP und dem Namenswechsel von der CVP zur Mitte.
Im Gegensatz zur FDP habe die Mitte Wähleranteile gewonnen, sagt Politologin Chloé Jans. «Bei der FDP ist man immer noch auf der Suche nach Themen und dem ‹Unique Selling Point›.» Die FDP suche also immer noch nach jenem eigenständigen Merkmal, das sie von allen anderen Parteien abhebe.
Dabei bleibt die FDP in ihrem ewigen Dilemma: Sie muss sich zwischen den Grünliberalen und der SVP klar positionieren. Entscheidend bei dieser Positionierung wird die EU-Frage sein – und die Frage, wer die Nachfolge von Thierry Burkart als Parteipräsident antritt.