Ein psychisch kranker Täter hat im unbegleiteten Ausgang mutmasslich eine Frau getötet. Vor zehn Jahren hatte er bereits zwei Menschen getötet, wurde verurteilt und ist seither in einer stationären Massnahme, sprich Therapie in Basel. Wie wirksam sind Therapien für solche Täter? Wird zu viel therapiert und zu wenig weggesperrt?
«Wann immer ich von einem schweren Gewaltdelikt in Basel höre, hoffe ich, dass es nicht ein Klient von uns ist», sagt Sabine Uhlmann, Leiterin des Strafvollzugs in Basel. Sie trägt die Verantwortung im erwähnten Fall und unterschrieb den Hafturlaub des mutmasslichen Täters – basierend auf Gutachten und Empfehlung der zuständigen Kommission.
Klienten, Patienten oder Täter?
Uhlmann spricht von «Klienten», Staatsanwalt Peter Straub nennt sie «verurteilte Straftäter», und Kliniken sprechen von «Patienten». «Es sind und bleiben Straftäter», sagt Mitte-Fraktionschef Matthias Bregy.
Der Forensiker Josef Sachs widerspricht: Sobald ein Straftäter in der Klinik sei, werde er nicht mehr bestraft, sondern behandelt. Sachs sagt aber auch: «Ich bekam im Vollzug immer wieder Menschen zugewiesen, deren Therapierbarkeit fraglich war.» Wenn nach fünf bis sieben Jahren keine Fortschritte erzielt würden, seien die Mittel erschöpft.
Steigende Therapiezahlen
Während im Jahr 2000 landesweit nur 100 psychisch kranke Täter in stationärer Therapie waren, sind es heute mehr als 700. Auch die Dauer der Behandlungen nimmt zu.
Wenn die stationäre Massnahme als «kleine Verwahrung» bezeichnet wird, wird Psychiater Sachs nervös, «eine Therapie hat einen Anfang und ein Ende», erklärt er. Das Ziel sei die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Eine solche Massnahme ist deshalb auch auf fünf Jahre befristet und braucht für eine Verlängerung ein Gerichtsurteil. Die ehemalige Richterin Marianne Heer hebt jedoch hervor, dass es schwierig sei, da je wieder herauszukommen.
Staatsanwalt Peter Straub schildert ein Beispiel: ein zweifacher Vergewaltiger, der über Jahre hinweg erfolglos therapiert wurde. «Wir forderten schliesslich die Verwahrung, basierend auf einem Gutachten, das die Untherapierbarkeit attestierte.»
Doch das Gericht beauftragte über Jahre hinweg Gutachten, bis schliesslich die Antwort lautete: Ganz sicher sei die Untherapierbarkeit nicht, es bestehe ein Funken Hoffnung. Daraufhin wurde die stationäre Massnahme verlängert. Straub kritisiert damit, dass die Gerichte spärlich damit umgingen, Verwahrungen zu sprechen.
Psychiater Marc Graf meint: Für Täter ab etwa 40 bis 50 Jahren sei Therapie weitgehend irrelevant. «Man muss primär die jungen Täter therapieren».
Wer ist «nicht therapierbar»?
Untersuchungen zeigten, dass solche Täter wie in Basel, die an Schizophrenie erkrankt sind, sehr gut auf Therapie ansprechen – im Gegensatz etwa zu Sexualstraftätern, sagt Graf. Er sei Psychiater geworden, damit es weniger Opfer gibt und damit Täter, die eine Therapie verdient haben, auch eine erhalten – die Chance auf ein normales Leben.
Man müsse mehrere Therapieansätze oder Institutionen probieren, «bevor man den Menschen definitiv aufgibt», also verwahrt, plädiert Marianne Heer.