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Menschen in der Schweiz gehen fürs Recht auf Abtreibung auf die Strasse
Aus 10 vor 10 vom 28.06.2022.
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Nach Urteil in den USA Abtreibungen polarisieren auch in der Schweiz

Gegen das Urteil in den USA gehen hierzulande in diversen Städten Menschen auf die Strasse. Derweil wollen zwei Initiativen Abtreibungen auch in der Schweiz verbieten. Was steckt dahinter?

Wieso wird in der Schweiz gegen das US-Urteil demonstriert? Der Oberste Gerichtshof der USA hat den Weg geebnet für Abtreibungsverbote in einzelnen Bundesstaaten. Nun schwappen die Proteste auf die Schweiz über. Unter anderem in Luzern, St. Gallen, Genf und Neuenburg sollen am Dienstagabend Demonstrationen stattfinden.

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Menschen demonstrieren in Genf
Aus News-Clip vom 28.06.2022.
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Am Donnerstag soll es Kundgebungen in Zürich und Lausanne geben. «Das Urteil in den USA zeigt, dass Angriffe auf unser Recht auf Abtreibung und Selbstbestimmung alltäglich sind und weltweit passieren. Das darf nicht sein», sagt Organisatorin Miriam Helfenstein von den feministischen Streik-Kollektiven.

Wie stehen die Chancen von Abtreibungsgegnern in der Schweiz? Das Urteil in den USA gibt den Forderungen von Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern in der Schweiz wieder Aufwind. Das bestätigt Politologe Michael Hermann: «Das Thema bekommt jetzt auch hierzulande wieder Aufmerksamkeit und Legitimation. Die Stimmen für Abtreibungsverschärfungen bilden in der Schweiz aber eine klare Minderheit und sind nicht mehrheitsfähig.» Frühere Abstimmungen zu Abtreibungsanliegen bestätigen Hermanns Einschätzung.

Blick zurück: das Abtreibungsrecht an der Urne

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In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Stimmvolk mehrmals gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts ausgesprochen. 2002 stimmte die Wählerschaft gleichzeitig über ein fast vollständiges Abtreibungsverbot und die Einführung der heute gültigen Fristenlösung ab. Mit knapp 82 Prozent Nein-Stimmen zum Verbot und 72 Prozent Ja-Stimmen zur Fristenlösung war der Entscheid deutlich.

2014 gelangte die Initiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» zur Abstimmung. Obwohl es dabei nicht um eine Verschärfung des Abtreibungsrechts, sondern lediglich um die Finanzierung ging, lehnten fast 70 Prozent der Stimmenden den Vorstoss ab.

Wie wollen Gegner das Recht auf Abtreibung in der Schweiz einschränken? Eine Gruppe rund um die SVP-Nationalrätinnen Yvette Estermann (LU), Andrea Geissbühler (BE) und den Nationalrat Erich von Siebenthal (BE) sammelt derzeit Unterschriften für zwei Initiativen, um das Recht auf Abtreibung in der Schweiz einzuschränken. Es gehe darum, eine Diskussion über Abtreibung in der Schweiz zu lancieren, betont Andrea Geissbühler. «Es ist für Frauen wichtig, dass wir dieses Thema anschauen. Denn es geht nur um eine Präzisierung der bestehenden Gesetze und darum, Leben zu retten.»

Das bezwecken die Abtreibungs-Initiativen

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Die «Einmal-darüber-schlafen-Initiative» verlangt, dass Ärztinnen und Ärzte schwangeren Frauen vor einer Abtreibung mindestens einen Tag Bedenkzeit einräumen müssen. Eine ähnliche Regel existiert bereits in Deutschland – dort müssen Frauen ihre Entscheidung drei Tage überdenken.

Die Volksinitiative «Lebensfähige Babys retten» richtet sich gegen Spätabtreibungen. Sie will Schwangerschaftsabbrüche verbieten, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Abtreibung ausserhalb des Mutterleibes überlebensfähig wäre, also etwa ab der 22. Schwangerschaftswoche. Spätabtreibungen sind in der Schweiz schon jetzt nur erlaubt, wenn die Gesundheit der Frau gefährdet ist.

Beide Volksinitiativen wurden im Dezember 2021 lanciert. Bis im Juni 2023 müssen je 100'000 Unterschriften gesammelt werden, damit die Vorlagen an die Urne kommen.

Sind politische Mehrheiten für Forderungen gegen Abtreibungen denkbar? In der Schweiz bewirtschaftet keine grössere Partei das Thema Abtreibungen. Keine einzige Partei spricht sich bislang für die beiden Volksinitiativen aus – auch die SVP steht nicht geschlossen hinter den Vorstössen ihrer Vertreter. Ähnlich wie das Urteil in den USA zeigen die Schweizer Vorstösse keinen generellen Stimmungsumschwung in der Bevölkerung. «Sowohl die Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner als auch der überwiegende Teil der Schweizer Bevölkerung steht klar hinter der Möglichkeit von Schwangerschaftsabbrüchen», betont Politologe Michael Hermann.

Wer sind die Abtreibungsgegnerinnen und -gegner?

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Legende: Der «Marsch fürs Läbe» von Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern fand letztmals am 18. September 2021 in Oerlikon statt. Keystone

Laut Religionsexperte Hugo Stamm stellen sich in der Schweiz vor allem Freikirchen und christliche Fundamentalisten gegen Abtreibungen. «Sie stützen sich auf die Bibel, wonach das Leben bereits mit der Zeugung beginnt und nur Gott Leben geben und nehmen darf.» Stamm zufolge gibt es in der Schweiz rund 250'000 Menschen, die einer Freikirche angehören oder mit ihren Ideologien sympathisieren.

Darüber hinaus gibt es einige Vereinigungen, die sich öffentlich gegen Abtreibungen aussprechen. Dazu zählen der Verein Mamma und die christlich-konservative Stiftung Zukunft CH, die schon am Zustandekommen von Abtreibungsvorstössen mitgewirkt haben. Auch im Verein «Marsch fürs Läbe» haben sich Abtreibungsgegner zusammengeschlossen und machen jährlich an einer Kundgebung auf ihre Anliegen aufmerksam.

Wie viel wird in der Schweiz abgetrieben? Jährlich treiben in der Schweiz zwischen 10'000 und 11'000 Frauen ab. Laut Bundesamt für Statistik ist diese Zahl seit 2004 etwa gleich geblieben – obwohl die Einwohnerzahl massiv zugenommen hat. Das heisst, es gibt heute pro 1000 Frauen in der Schweiz weniger Abtreibungen als noch vor 15 Jahren. Im Jahr 2020 fanden in der Schweiz 11'143 Schwangerschaftsabbrüche statt. Das sind rund sieben Abtreibungen pro 1000 Frauen – eine im europäischen Vergleich niedrige Quote.

Wie sind Abtreibungen in der Schweiz geregelt? In der Schweiz darf eine Frau bis zur 12. Schwangerschaftswoche legal abtreiben. Danach nur noch, wenn es dringende medizinische Gründe dafür gibt. Dies ist mit der Fristenlösung im Strafgesetzbuch festgehalten, die seit 20 Jahren gilt. Das Abtreibungsrecht in der Schweiz ist im europäischen Vergleich eher streng.

10 vor 10, 28.06.2022, 21:50 Uhr

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