Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch will für die Nachfolge der zurücktretenden Bundesrätin Simonetta Sommaruga kandidieren.
Er stellt sich damit gegen seine Parteileitung, die ein reines Frauen-Ticket will.
Jositsch ist der erste Bewerber, der offiziell seinen Hut in den Ring wirft.
«Ich weiss, dass sich nicht jeder über meinen Widerstand gegen die Absichten der Parteileitung freut.» Es gehe ihm mit seiner Kandidatur auch ums Prinzip, sagte Jositsch vor den Medien in Bern. Dass Männer prinzipiell von einer Kandidatur ausgeschlossen würden, sei nicht in Ordnung.
Sein Ziel sei es, von der SP-Fraktion am 18. November als Kandidat nominiert zu werden. Er habe von Anfang an gegen den Antrag der Parteispitze opponiert, lediglich Kandidaturen von Frauen zuzulassen. Von der Verfassung her seien alle Geschlechter gleich. Jemanden auszuschliessen, sei nicht die Absicht der Gleichstellung.
Er verfüge über zeitliche Disponibilität, die berufliche Erfahrung und den Willen, zu gestalten, sagte Jositsch zu seiner Kandidatur. «Aber ich habe grossen Respekt vor den Aufgaben als Bundesrat.»
Sollte ihn seine Partei aber nicht auf das Ticket für die Sommaruga-Nachfolge setzen, würde er dies akzeptieren, betonte Jositsch: «Ich kann klar sagen: Wenn ich zum Spiel zugelassen werde, halte ich mich an die Spielregeln.» Wenn die Fraktion entscheide, dass seine Kandidatur zugelassen werde, ihm danach aber zwei Frauen vorgezogen würden, dann akzeptiere er das bedingungslos.
Einschätzung von Bundeshaus-Redaktorin Larissa Rhyn
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Es ist ein Machtspiel, das sich Daniel Jositsch mit der SP-Parteispitze liefert. Der Zürcher Strafrechtsprofessor spricht von Diskriminierung. Und er beruft sich sogar auf die Verfassung, mit dem Argument, die Kandidatur für den Bundesrat dürfe keinem Parlamentarier verboten werden. Was er machen wird, wenn die SP-Fraktion das Bundesratsticket auf zwei Frauen beschränkt, wie sich das die Parteispitze wünscht, lässt er offen. Zwar haben sich auch einzelne weitere SP-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier kritisch zum Vorpreschen des Parteipräsidiums geäussert. Aber gleichzeitig teilt wohl eine Mehrheit das Ziel von Mattea Meyer und Cédric Wermuth, dass die SP weiterhin mit einem Mann und einer Frau im Bundesrat vertreten sein sollte. Um den formalen Bedenken Rechnung zu tragen, könnte die Fraktion das Ticket natürlich offiziell für Männer öffnen – und dann eine Woche später doch nur Frauen vorschlagen. Doch damit würde sie sich formell gegen den Vorschlag der Parteispitze stellen. Und das wäre zum Auftakt des Wahljahrs 2023 kein gutes Zeichen.»
Wenn er aber parteiintern vom Rennen ausgeschlossen würde, dann könne er die Situation nicht einfach so akzeptieren, so Jositsch weiter. «In einem solchen Fall würde ich die Situation nach Rücksprache mit der Partei- und Fraktionsleitung evaluieren.»
SP-Parteispitze verteidigt Vorentscheid
Ob es Jositsch aufs offizielle SP-Ticket schaffen wird, ist fraglich. Am vergangenen Wochenende hatte das Co-Präsidium von Mattea Meyer und Cédric Wermuth die Strategie der SP verteidigt, zwei Frauen auf die Kandidierendenliste zu setzen.
Die SP wolle mit einem Mann und einer Frau in der Regierung vertreten sein, wie es seit den 1990er-Jahren immer der Fall gewesen sei, sagte Meyer in einem Interview mit der «Sonntagszeitung». Die SP setze sich für die Gleichberechtigung ein – das gelte auch intern.
Ohne das Frauen-Ticket bestehe das Risiko, nur noch zwei Frauen in der Landesregierung zu haben, sagte Wermuth gegenüber dem «Sonntagsblick». Das würde die Bevölkerung nicht verstehen. Das Fraktions- und Parteipräsidium habe klar für zwei Frauen votiert.
Potenzielle Kandidatinnen halten sich bedeckt
Bisher hat sich jedoch noch keine SP-Politikerin klar dazu bekannt, dass sie kandidieren will. Im Gespräch sind jedoch mehrere. Als eine Favoritin für Sommarugas Nachfolge sehen Medien und Politologen die Basler Ständerätin Eva Herzog. Sie will sich am Donnerstag zu einer allfälligen Kandidatur äussern.
Daniel Jositsch: der Strafrechtsprofessor im Ständerat
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Jositsch sitzt seit 2015 für Zürich im Ständerat. Zuvor war der 57-Jährige acht Jahre lang Mitglied des Nationalrats. Jositsch ist Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Zürich. Sein erstes politisches Amt war in der Schulpflege seines Wohnortes Stäfa am Zürichsee. 2007 wurde er in den Zürcher Kantonsrat gewählt, trat aber nach der Wahl in den Nationalrat zurück.
Jositsch ist Vertreter des rechten Flügels der SP. 2007 sorgte er für nationale Aufmerksamkeit, als er mit Nationalratskollegin Chantal Galladé, damals noch SP, einen Zwölfpunkteplan zur Bekämpfung von Jugendgewalt und Schulproblemen vorstellte. Dabei forderten sie unter anderem Verschärfungen im Jugendstrafrecht.
2017 stellte Jositsch eine sozialliberale Plattform innerhalb der SP vor. Heute ist er Vorstandsmitglied von «Sozialliberal in der SP Schweiz», so der Name der Plattform. Aufgewachsen ist Jositsch in der Stadt Zürich und im Limmattal. Er ist geschieden und Vater eines Sohnes.
Ebenfalls Überlegungen für eine Kandidatur machen sich die Berner SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen, die Berner Regierungsrätin und frühere Nationalrätin Evi Allemann, die jurassische Ständerätin und frühere Staatsrätin Elisabeth Baume-Schneider sowie die Thurgauer Nationalrätin Edith Graf-Litscher.
Die SP-Spitze bekräftigte zuletzt mehrmals, dass Kandidatinnen aus allen Landesteilen willkommen seien. Das Parlament entscheidet am 7. Dezember über die Nachfolge von Sommaruga. Gleichzeitig wird auch der SVP-Sitz von Ueli Maurer neu besetzt. Dabei gilt der Berner Albert Rösti als Favorit.
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