Die Delikte, die das Baselbieter Strafgericht Anfang September als sexuelle Handlungen mit Kindern taxierte, geschahen 2013 bis 2015. Als der heute 62-jährige Pfarrer die beiden Konfirmandinnen anging, waren sie 14 und 15 Jahre alt.
Er überzeugte sie, bei einem angeblichen SMS-Beratungsdienst mitzumachen, bei dem junge Menschen Gleichaltrigen bei Fragen rund um Prävention und Erwachsenwerden zur Seite stehen sollten. Doch diesen Dienst hatte er schlicht erfunden, um an Nacktbilder heranzukommen.
Dazu gab er sich per SMS als Jugendliche und auch als Sozialarbeiterin aus, stellte Fragen zur Sexualität und verschickte Bilder nackter Körper mit der Bitte um Vergleichsbilder. Die beiden Opfer schöpften lange keinen Verdacht; erst als Jahre später der Partner einer der Frauen Fragen stellte, flog der Mann auf.
10 bis 15 weitere Opfer
Auf diese Masche fielen nicht nur diese beiden Mädchen herein. In einem offenen Brief macht nun Regine Kokontis, die Präsidentin des reformierten Kirchenrates Baselland, öffentlich, dass es einige mehr waren. Dieser Vertrauensmissbrauch ziehe grosses Leid nach sich.
Derzeit hätten sich zwischen zehn und fünfzehn weitere Betroffene gemeldet, die letzte Anfang Dezember. Wegen mehrerer Meldestellen vom Kanton bis zur Opferhilfe könne sie noch keine genaue Zahl nennen. Ob diese neuen Opfer ebenfalls Anzeige erstatten, kann Kokontis nicht sagen.
Es ist unglaublich schwierig, so etwas schwerwiegend Negatives öffentlich zu machen.
Die Prozessberichte hätten Betroffenen gezeigt, dass das Erlebte, das manche als diffuses Gefühl herumgetragen hätten, wahr sei, erklärt Kokontis. Jene Person, die das Vertrauen missbraucht hat, sei ja auch im ganzen Umfeld positiv erlebt worden; «da ist es unglaublich schwierig, so etwas schwerwiegend Negatives öffentlich zu machen.»
Einige der Betroffenen hätten das Erlebte gemeinsam besprochen und dann den klaren Wunsch geäussert, dass die Kirche sich nochmals deutlich öffentlich distanziere. Der Kirchenrat habe nun vor Weihnachten den Zeitpunkt als dafür passend erachtet.
Kirche zahlt Betroffenen Therapiestunden
Vorgesehen sei ein neuer Verhaltenskodex, und kirchenintern solle die Gesprächskultur künftig erleichtern, solche Fälle anzusprechen. Ein Krisenplan sei zum Glück schon in der Schublade gelegen. Vor einer Woche habe der Kirchenrat überdies Mittel bereitgestellt für Therapiestunden der Betroffenen, die nicht von Krankenkassen übernommen werden.
Beat John, Geschäftsleiter der Opferhilfe beider Basel, sagt, für die Aufarbeitung sofort unabhängige externe Stellen beizuziehen, trage stark dazu bei, Vertrauen zurückzugewinnen. Noch besser sei, die gesamte Aufarbeitung solcher Fälle Fachpersonen zu überlassen, im Interesse der Opfer wie auch des Verfahrens.
Das Urteil des Strafgerichts, das dem Mann zwölf Monate bedingte Gefängnisstrafe auferlegte, ist noch nicht rechtskräftig. Nach der mündlichen Verkündigung hat der Anwalt des Mannes Berufung angekündigt. Ob er diese tatsächlich einreicht, zeigt sich erst, wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt. Die Staatsanwaltschaft hatte 16 Monate verlangt, der Verteidiger hingegen auf Freispruch plädiert.