Zum Inhalt springen

Neue Ausbildung in St. Gallen «IT rocks!» sucht die Informatik-Cracks von morgen

Informatikerinnen und Informatiker sind begehrter denn je. Doch es fehlt an Ausbildungsplätzen. Das soll sich ändern.

Leute mit IT-Wissen sind gefragt und begehrt. Offene Arbeitsstellen für IT-Mitarbeitende gibt es in der Schweiz Tausende. Was jedoch oft fehlt, sind die Lehrstellen. Weil sie keine Lehrstelle als Informatiker oder Informatikerin finden, schwenken viele junge Leute auf einen anderen Beruf um.

Das sei vergeudetes Potenzial, findet der Verein «IT rockt!» im Kanton St. Gallen und bietet ein Einsteigerprogramm an: in einem Jahr von null zum IT-Mitarbeitenden.

Das St. Galler IT-Ausbildungsprogramm

Was ist nochmal der Unterschied zwischen Hardware und Software? Die Einstiegsfrage richtet sich an die 12 Leute hinter den schwarzen Bildschirmen: Die Pilotklasse für das neue, einjährige «Digital Talents Program». In nur acht Wochen lernen sie die Grundlagen der Informatik. Anschliessend folgen zwei fünfmonatige Praktika.

Unterschiedliche Vorkenntnisse

Man starte bei Null und setze keine Vorkenntnisse voraus, sagt Eliane Schmidli, die den Grundlagen-Kurs an der Fachhochschule Ost leitet. «Wir versuchen möglichst wenig Fachbegriffe zu verwenden. Das ist sehr schwierig, weil sie für uns sehr alltäglich sind.» Voraussetzen könne man allerdings, dass man weiss, was eine Datei oder ein Ordner ist. «Dann versuchen wir, auf diesem Wissen aufzubauen.»

Das Wissen der Teilnehmenden ist sehr unterschiedlich. Zwar haben alle mindestens einen Sek-II-Abschluss, aber in ganz unterschiedlichen Bereichen. Alba della Possa Garcia zum Beispiel hat bis vor Kurzem bei einer Versicherung gearbeitet: «Es ist wirklich ein Bootcamp, es ist sehr intensiv», sagt die 28-Jährige. «Es gibt viele Fachbegriffe wie ‹NFTs›, die man nebenher googelt. Es geht sehr schnell, du machst Notizen und du musst die ganze Zeit konzentriert bleiben.»

Anders ergeht es dem 18-jährigen Pierre Ehrlich. Der gelernte LKW-Mechaniker fand die ersten Tage im «Digital Talents Program» locker. Schliesslich baut er regelmässig für Freunde PCs. Eigentlich hätte er gerne eine Zweitlehre als Informatiker gemacht. «Ich habe mich überall beworben. Es gab jeweils Absagen oder als höchstes der Gefühle mal ein Bewerbungsgespräch», sagt Pierre. Es gebe aber schlicht zu wenig Betriebe, die Lehrstellen anbieten würden.

Weltweit sind Informatiker gefragt

So erging es den meisten hier im Programm. Sie suchten vergeblich nach einer IT-Lehrstelle oder einem Praktikum, das sie vor einem Informatikstudium absolvieren müssten.

Schnellbleiche für Quereinsteiger

Box aufklappen Box zuklappen

Hunderte motivierte Fachkräfte würden schon beim Einstieg in den Beruf scheitern, sagt Projektleiter Timur Sagirosman: «Die Ausbildung hat mit dem Wachstum der Industrie gar nicht mithalten können. Wir haben das Gefühl, dass wir die Leute hier verlieren.» Wir, das ist «IT rockt!», ein Verein, getragen von Ostschweizer ICT-Unternehmen und Bildungsinstitutionen. Im Auftrag des Kantons St. Gallen hat «IT rockt!» das «Digital Talents Program» erarbeitet. Eine einjährige Schnellbleiche für Quereinsteiger.

Das sei ein zusätzlicher Einstieg in die Informatik und keine Konkurrenz zur Lehre, betont Sagirosman: «Wir haben nicht den Anspruch, dass wir fertige Informatiker auf den Markt bringen oder jemanden, der eine vierjährige IT-Lehre hinter sich hat. Wir ermöglichen Einstiegspositionen in die Informatikbranche. «Die einzelnen Talente müssten sich danach individuell weiter entwickeln. Allenfalls mit einem Informatik-Studium oder einer Festanstellung bei einem der Praktikums-Betriebe.

Die Ziele der zwölf angehenden Digital-Talente sind unterschiedlich. Pierre, der gelernte LKW-Mechaniker, weiss auf jeden Fall, dass er nicht in den IT-Support will: «Am Telefon Frau X zu beraten, die dieses oder jenes Problem hat – das könnte ich mir niemals vorstellen.» Sein Traum sei, einmal als selbstständiger Informatiker massgeschneiderte Computer einzurichten.

Vorerst müssen er und seine 11 Mitstreiter aber büffeln und das einjährige «Digital Talents Program» bestehen. Der Projektleiter hofft, das Programm in Zukunft ausbauen zu können. Er habe auch schon Anfragen von anderen Kantonen erhalten. Schliesslich ist der Fachkräftemangel in der Informatik ein nationales und sogar internationales Problem.

Rendez-vous, 03.08.2022, 12:30 Uhr

Meistgelesene Artikel