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Neue Studie zum Lehrermangel Lehrpersonen bleiben ihrem Job überraschend treu

Neue Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen: Die Mehrheit der Lehrpersonen bleibt den Schulen treu.

    Akuter Lehrkräftemangel und überlastete Lehrpersonen: Der Lehrerberuf fiel jüngst mit negativen Schlagzeilen auf. Doch nun zeigen neue Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) Überraschendes: 90 Prozent der unter 55-Jährigen, die 2015 als Lehrperson tätig waren, waren fünf Jahre später immer noch an einer Schule beschäftigt. Insgesamt waren 80 Prozent aller Lehrkräfte nach fünf Jahren noch an einer Schule beschäftigt.

Bei den Lehrkräften ab 55 Jahren zeigt sich eine tiefe Verbleibsquote, da die Austritte in dieser Altersgruppe häufig endgültig sind. Die unter 35-jährigen Lehrpersonen bleiben im Vergleich seltener an einer Schule. Insgesamt waren 18'300 Lehrkräfte – 7000 bei Lehrpersonen unter 55 Jahren und 11'300 bei jenen ab 55 Jahren – nach fünf Jahren nicht mehr an einer Schule angestellt. Zu diesem Schluss kommt das BFS in einer Publikation, welche die im Schuljahr 2015/2016 erfassten Lehrpersonen über einen Zeitraum von fünf Jahren untersucht hat.

Zu wenig Lehrpersonen wegen Teilzeitarbeit

Wie ist der Lehrkräftemangel also erklärbar? Heinz Rhyn, Rektor der Pädagogischen Hochschule Zürich, sieht verschiedene Gründe. Erstens sei die Anzahl an Schülerinnen und Schülern markant gestiegen. Zweitens werde der Beruf gerne in Teilzeit ausgeübt. «Das macht den Beruf einerseits attraktiv, andererseits führt das auch dazu, dass wir teilweise zu wenig Lehrpersonen im Schuldienst haben», erklärt Rhyn.

Steigender Bedarf an Lehrpersonen bis 2031

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In den nächsten Jahren wird sich der Lehrkräftemangel in der Schweiz in Folge des Bevölkerungswachstums weiter verschärfen. Bis 2031 müsste die Anzahl an Lehrkräften demnach um rund sechs Prozent steigen – bis dahin müssten zwischen 43'000 und 47'000 neue Lehrkräfte für die Primarstufe, bei der Sekundarstufe I zwischen 26'000 bis 29'000 Lehrpersonen rekrutiert werden. Das zeigen neue Zahlen des Bundesamts für Statistik.

Der zusätzliche Bedarf an Lehrkräften entsteht, weil die Anzahl der Schülerinnen und Schüler steigt. Auf Primarstufe nimmt laut Prognose des Bundesamtes für Statistik die Zahl der Lernenden zwischen 2022 und 2031 um acht Prozent zu, während es auf der Sekundarstufe I plus neun Prozent sind.

Es sei deshalb wichtig, dass an den Pädagogischen Hochschulen mehr Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet werden – die Prognosen des BFS sagen auch eine Zunahme der Lehrdiplome bis 2031 voraus, betont Rhyn. «Es ist aber auch wichtig, dass diese mit einem hohen Pensum in den Schuldienst einsteigen.»

Das Problem besteht darin, dass wir zwei bis drei Lehrpersonen ausbilden müssen, um eine vollzeittätige Lehrperson im Schulzimmer zu haben.
Autor: Stefan Wolter Bildungsökonom Universität Bern

Auch Stefan Wolter, Bildungsökonom an der Universität Bern, sieht die Pensionierungswelle der aktiven Lehrpersonen, steigende Schülerinnen- und Schülerzahlen sowie die verbreiteten Teilzeitpensen als Gründe für den Lehrkräftemangel. «Das Problem besteht darin, dass wir zwei bis drei Lehrpersonen ausbilden müssen, um eine vollzeittätige Lehrperson im Schulzimmer zu haben», erklärt Wolter.

Rösler: Schulsystem funktioniert mit Teilzeitlehrern

Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, stützt den Ansatz des Lehrpersonenmangels wegen Teilzeitpensum nur teils. Der Lehrberuf sei natürlich ein Beruf, den man relativ gut in einer Teilzeitfunktion ausüben könne. «Es ist aber sicher so, dass man Lehrerinnen und Lehrer motivieren sollte, möglichst ein hohes Pensum zu arbeiten – wobei es immer auch Gründe gibt, warum man nicht in einem hohen Pensum arbeitet», erklärt Rösler.

Ein Schüler streckt seine Hand auf im Schulunterricht
Legende: Die Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen, dass 80 Prozent der Lehrkräfte nach fünf Jahren immer noch an einer Schule beschäftigt sind. KEYSTONE/Ti-Press/Elia Bianchi

Zudem sei das System der Schule so aufgebaut, dass es ohne Teilzeitlehrpersonen gar nicht mehr funktioniere. Denn im Gegensatz zu früher würde nicht mehr nur eine Lehrperson vor der Klasse stehen, sondern Lehrerinnen und Lehrer müssten auch weitere Lektionen wie Deutsch-Zusatzunterricht übernehmen.

Ich warne davor, Leute dazu zwingen zu wollen, hohe Pensen zu übernehmen – das kann auch bewirken, dass wir sie wieder ganz verlieren.
Autor: Dagmar Rösler Präsidentin des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz

Müsste es also Richtlinien geben, wie hoch oder tief die Pensen im Beruf sein sollen? Viele Schulen würden bereits keine Lehrpersonen mehr einstellen, die weniger als 50 Prozent arbeiten möchten, erklärt Rösler. Doch auch hier gehe die Rechnung dann nicht immer auf. «Ich warne davor, Leute dazu zwingen zu wollen, hohe Pensen zu übernehmen – das kann auch bewirken, dass wir sie wieder ganz verlieren.»

Hier finden Sie die Studie zum Nachlesen

SRF 4 News, 14.10.2022, 10:30 Uhr

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