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Sexuelle Übergriffe sind in der Schweiz ein Gesellschaftsproblem
Aus Tagesschau vom 21.05.2019.
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Neue Zahlen zur Schweiz Ungewollter Sex – jede achte Frau hat das schon erlebt

Wurde das Problem der sexuellen Gewalt an Frauen unterschätzt? Neue Zahlen von Amnesty zeigen Erschreckendes.

Unerwünschte Küsse, sexuelle Handlungen, die frau nicht will, Zwang zum Sex: Sexuelle Gewalt an Frauen ist in der Schweiz weiter verbreitet als bisher angenommen. Das zeigt eine neue Umfrage des gfs.bern im Auftrag von Amnesty International unter rund 4500 Frauen.

Die Zahlen zeigen teilweise Erschreckendes: Jede fünfte Frau ab 16 Jahren hat bereits einmal ungewollte sexuelle Handlungen erlebt, jede achte Frau hatte schon Sex, ohne dass sie diesen wollte. Auf die gesamte weibliche Bevölkerung hochgerechnet heisst das: Rund 430'000 Frauen ab 16 Jahren hatten schon Geschlechtsverkehr gegen ihren eigenen Willen. Das entspricht ungefähr der Bevölkerung der Stadt Zürich.

Doch auch andere Formen der sexuellen Belästigung sind gängig: Mehr als die Hälfte der befragten Frauen gibt an, eine Belästigung in Form von unerwünschten Berührungen, Umarmungen oder Küssen erlebt zu haben. Und: 40 Prozent machen sich im Alltag Sorgen, sexuell belästigt zu werden.

Hartnäckige Vergewaltigungsmythen

Allerdings: Nur die Hälfte der Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, sprachen danach mit einer Freundin oder einem Bekannten darüber. 49 Prozent der Befragten behielten den Vorfall für sich. Zehn Prozent meldeten den sexuellen Übergriff der Polizei – nur acht Prozent erstatteten schlussendlich Strafanzeige.

Doch wieso wenden sich die Frauen nicht an die Polizei? Ein Grossteil der befragten Frauen (64 Prozent) gibt an, aus Scham auf eine Kontaktaufnahme mit der Polizei verzichtet zu haben. Weiter haben viele Frauen das Gefühl, keine Chance zu haben (62 Prozent), oder Angst, dass man ihnen nicht glauben könnte (58 Prozent). Ebenfalls befürchtet über die Hälfte, dass mit einer Anzeige alles nur noch schlimmer würde (57 Prozent).

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Agota Lavoyer, Opferhilfe: «Dass die Frau eine Mitschuld trägt, ist ein verheerender Mythos»
Aus News-Clip vom 21.05.2019.
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Agota Lavoyer von der Fachstelle für Opferhilfe bei sexueller Gewalt «Lantana» warnt in diesem Zusammenhang auch vor Mythen, die bei Vergewaltigungen immer noch weit verbreitet seien: «Ein tief verankerter Vergewaltigungsmythos ist zum Beispiel, dass die Frau eine Mitschuld trägt. Die Frau hat sich nicht gewehrt, also ist sie selber schuld – das ist verheerend!» Ebenfalls werde nach einem sexuellen Übergriff oft nach Motiven gesucht, weshalb eine Frau gelogen haben könnte. «Das wertet die Opfer ab und bringt sie dann eben oft zum Schweigen», sagt Lavoyer.

Kaum sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz

Während sexuelle Belästigung vor allem im öffentlichen Raum – auf der Strasse, im öffentlichen Verkehr, in Bars und Clubs – vorkommt, tritt sexuelle Gewalt vor allem zuhause auf. 52 Prozent der befragten Frauen sagen, dass der Vorfall «bei ihnen selber oder jemandem zuhause» stattgefunden habe. Fast die Hälfte der Frauen – 47 Prozent – gibt allerdings auch hier an, dass der Gewaltvorfall «anderswo» vorgekommen sei. Am Arbeitsplatz hingegen ist sexuelle Gewalt eher selten: Nur acht Prozent der Frauen wurden dort sexuell missbraucht.

Amnesty schlägt Alarm

Amnesty International, welche die Studie in Auftrag gegeben hat, spricht von «erschütternden» Ergebnissen – und stellt politische Forderungen. Die Menschenrechtsorganisation nimmt in erster Linie das «veraltete Schweizer Sexualstrafrecht» ins Visier und fordert den Bundesrat auf, die im April 2018 in Kraft getretene Istanbul-Konvention umzusetzen.

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Sexuelle Gewalt an Frauen
aus Rendez-vous vom 21.05.2019. Bild: Imago
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Gemäss dieser hat eine Vergewaltigung und jede sexuelle Handlung mit einer anderen Person ohne gegenseitiges Einverständnis als Straftat zu gelten. Heute ist dies laut Amnesty anders: «Liegt keine Nötigung vor – also etwa Gewalt, Gewaltandrohungen oder psychischer Druck – , gilt die Tat in der Schweiz nicht als Vergewaltigung – selbst wenn ein Opfer klar Nein gesagt hat». Heute sei das Prinzip des gegenseitigen Einverständnisses erst in acht von 31 untersuchten europäischen Ländern Realität.

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