Zum Inhalt springen

Neues Vertragspaket Schweiz-EU EU-Rechtsübernahme: Parlamentarier fordern mehr Mitsprachrecht

In heiklen Abkommen soll neues EU-Recht direkt gelten, wenn die Schweizer Delegation im gemischten Ausschuss zustimmt und kein Konflikt mit Schweizer Recht besteht. Parlamentsmitglieder fordern mehr Macht für Parlament und Stimmvolk.

Welche Vorschriften müssen Lebensmittel erfüllen? Welche Familienmitglieder dürfen erwerbstätige EU-Bürgerinnen und -Bürger in die Schweiz holen? Wer darf Inlandflüge anbieten?

Ändert die EU künftig in solchen Fragen ihr Recht, müsste die Schweiz dies mit dem neuen EU-Paket grundsätzlich übernehmen. Beim Landverkehr und den technischen Handelshemmnissen könnte die Schweiz ihr eigenes Recht so anpassen, dass das gleiche Ergebnis wie in der EU erzielt wird – beim Weg dorthin hätte sie aber einen gewissen Spielraum.

Anders bei den Abkommen zur Personenfreizügigkeit, zum Luftverkehr, zum Strom und zur Lebensmittelsicherheit. Dort würde das sogenannte Integrationsverfahren gelten: Die EU informiert den gemischten Ausschuss über das neue Recht. In diesem Ausschuss sitzen hälftig Vertretungen der Schweiz und der EU. Stimmt die Schweizer Seite zu, kommen Parlament und allenfalls Volk nur dann auf jeden Fall zum Zug, falls die Neuerung Schweizer Recht widerspricht. Ansonsten aber würde das neue EU-Recht direkt gelten, die Schweiz würde ihr Recht nicht anpassen.

Mitte und GLP fordern mehr Mitsprache

Die Vorstellung, dass die Schweizer Delegation auf Weisung des Bundesrates umstrittene Entscheide fällen könnte, ohne dass Parlament und Stimmberechtigte sich einbringen könnten, passt Mitte-Nationalrat Gerhard Pfister nicht.

Der Bundesrat könnte zum Beispiel verpflichtet werden, dass er periodisch das Parlament informiert, welche Beschlüsse im gemischten Ausschuss anstehen
Autor: Gerhard Pfister Nationalrat Mitte/ZG

Er fordert, dass die Schweiz ihren Spielraum nutzt und vor der Abstimmung über das EU-Paket klärt, wie direktdemokratische Instrumente wie das Referendum in den Entscheidungsprozess integriert werden können. «Der Bundesrat könnte zum Beispiel verpflichtet werden, dass er periodisch das Parlament informiert, welche Beschlüsse im gemischten Ausschuss anstehen», sagt Pfister. «So könnte das Parlament entscheiden, wo es mitreden oder das Referendum vorschlagen will. Solche Möglichkeiten müssen und werden wir jetzt diskutieren, auch mit dem Bundesrat.»

Mann im Anzug sitzend vor einer Schweizer Flagge.
Legende: Wie soll die Schweiz ihre Position festlegen bei der dynamischen Rechtsübernahme? Gerhard Pfister will mehr Einfluss. KEYSTONE/Anthony Anex

Für die grünliberale Zürcher Ständerätin Tiana Moser wäre wichtig, dass die Schweiz schon früher, nämlich wenn die EU über neuem Recht brütet, Einfluss nimmt. «Mit den neuen Verträgen haben wir mehr Mitspracherechte bei der europäischen Rechtsentwicklung», sagt Moser. «Damit die zu einem Souveränitätsgewinn führen, müssen wir diese Rechte aber auch wahrnehmen und nicht in Bern sitzen und warten, was in Brüssel passiert.»

Die SVP sieht sich in Ablehnung bestätigt

Das Parlament müsse eigenständig entscheiden können, wo es mitreden wolle. Dabei wäre aus Sicht Mosers eine Vertretung des Parlaments in Brüssel hilfreich. Solche Vorschläge können in der laufenden Vernehmlassung eingebracht werden.

Aus Sicht der SVP würden solche Neuerungen lediglich zu noch mehr Bürokratie führen. Sie ist ganz grundsätzlich gegen das EU-Vertragspaket mit der dynamischen Rechtsübernahme. «Das bedeutet, Brüssel entscheidet, wir haben nichts zu sagen», kritisiert der Thurgauer Nationalrat Pascal Schmid. «Und wenn das Volk doch einmal Nein sagen würde, dann werden wir bestraft. Das ist für ein freies Land unwürdig.»

Für den Fall, dass die Schweiz neue EU-Recht nicht übernehmen will, ist ein paritätisch zusammengesetztes Schiedsgericht mit einer unabhängigen Drittperson geplant, das darüber wachen würde, dass allfällige Gegenmassnahmen verhältnismässig sind.

Tagesschau 17.7.2025, 19:30 Uhr

Meistgelesene Artikel