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Ausgehandelter EU-Vertrag Warum sich die FDP mit der Europapolitik schwertut

Die FDP ringt um ihre Haltung zum EU-Vertrag – trotz einstiger Vorreiterrolle beim bilateralen Weg mit Brüssel. Ein Politikwissenschaftler kennt die möglichen Gründe dafür.

Darum geht es: Die Freisinnigen haben noch keine Position zum neu ausgehandelten Vertragswerk. Dass sich die Partei so schwer mit der Frage tut, wirkt auf den ersten Blick erstaunlich. Denn schliesslich war es die FDP, die zusammen mit den Wirtschaftsverbänden seit den neunziger Jahren den bilateralen Weg mit der EU stark vorangetrieben hat. Laut dem Politikwissenschaftler Michael Herrmann gibt es aber Erklärungen, weshalb die Europa-Skepsis in freisinnigen Kreisen zugenommen hat. Die Gründe sind sowohl in Entwicklungen in der EU als auch in der Schweiz zu finden.

Das Logo der FDP steht vorne auf einem Rednerpult.
Legende: Für die FDP ist klar, dass der bilaterale Weg mit der EU weiterzuentwickeln ist. Doch ein EU-Beitritt sei keine Option, schreibt die Partei auf ihrer Webseite. Keystone / WALTER BIERI

Verändertes Image der EU: Früher ging es bei der Zusammenarbeit mit der EU um den freien Marktzugang. Es war auch ein Projekt der Deregulierung. In letzter Zeit monieren aber rechtsbürgerliche und wirtschaftsliberale Kritikerinnen und Kritiker, es gebe in der EU immer mehr Bürokratie und immer mehr umwelt- und sozialpolitische Regulierungen, wie zum Beispiel das Lieferkettengesetz oder der «Green New Deal».

Ja zur Masseneinwanderungsinitiative: Das Ja zur SVP-Initiative im Februar 2014 hat den europapolitischen Diskurs in der Schweiz verändert. Bis zur Abstimmung war der bilaterale Weg in weiten Teilen der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft unbestritten. Das Ergebnis der Volksabstimmung hat dann aber zu einer Verunsicherung geführt – auch in Teilen der FDP. «Für mich war dieses Ergebnis bei der Masseneinwanderungsinitiative wirklich ein Wendepunkt», sagt Michael Hermann.

Kritik auch aus Unternehmer-Kreisen: In den letzten Jahren sind selbst in gewissen Unternehmer-Kreisen EU-kritische Stimmen stärker wahrnehmbar geworden. In der Gruppierung «Kompass Europa» haben sich diese zusammengeschlossen und konnten so politischen Druck aufbauen.

Ein Mann mit Anzug spricht an einem Rednerpult.
Legende: Die FDP sucht aktuell eine Nachfolge für Parteipräsident Thierry Burkart. Anfangs Juni hat er seinen Rücktritt als Parteichef der FDP bekannt gegeben. Keystone / URS FLUEELER

Rechter FDP-Flügel gestärkt: Der rechte Flügel der FDP ist in der letzten Zeit stärker geworden. Dazu zählen auch prominente Exponenten wie Noch-Parteichef Thierry Burkart und Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter. Europapolitischer Enthusiasmus ist ihnen eher fremd. Zudem gibt die FDP in der Europa-Politik im Moment ein uneinheitliches Bild ab: Während Aussenminister Ignazio Cassis mittlerweile mit grossem Engagement für den EU-Vertrag weibelt und die Genfer FDP-Sektion bereits die Ja-Parole gefasst hat, haben sich der Berner Nationalrat Christian Wasserfallen und der Zürcher Kantonalpräsident Filippo Leutenegger als Kritiker in Stellung gebracht.

Ich gehe davon aus, dass sich die FDP schlussendlich für das EU-Abkommen aussprechen wird.
Autor: Michael Herrmann Politikwissenschaftler

Das sagt der Politikwissenschaftler: Michael Herrmann hält es für wahrscheinlich, dass sich die FDP am Schluss für das EU-Abkommen aussprechen wird. So sei die Stimmung in der Bundeshaus-Fraktion klar zugunsten des Abkommens. Und Herrmann geht auch davon aus, dass viele Freisinnige einen europapolitischen Scherbenhaufen vermeiden möchten, von dem dann ohnehin nur die SVP profitieren würde. Das letzte Wort liegt nun bei der Parteibasis: Diese entscheidet am 18. Oktober an der Delegiertenversammlung in Bern über den europapolitischen Kurs der FDP.

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Echo der Zeit, 15.7.2025, 18 Uhr

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