Wenn Katharina Jost beim neuen Papst einen Wunsch frei hätte, wäre es dieser: «Es soll den Ortskirchen noch mehr Eigenständigkeit geben.»
Die Theologin arbeitet als Seelsorgerin in einer Luzerner Pfarrei und ist Vize-Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes. Seit Jahren setzt sie sich für Gleichberechtigung in der Kirche ein.
«In Bezug auf das Frauenbild müsste sich viel ändern», sagt sie. Papst Franziskus habe den Frauen die Rolle der Sorgenden, der Mütter gegeben. Darin habe er ihren Wert gesehen. Katharina Jost wünscht sich eine Abkehr von klassischen Rollenbildern. Auch in der Kirche soll sich jeder Mensch frei entfalten können.
Kein kompletter Kurswechsel
Trotz der Kritik: Franziskus habe vieles angestossen, was so weitergehen soll. Er habe unterschiedliche Meinungen innerhalb der Kirche zugelassen. Das sieht auch das Ehepaar Sophie und Moritz Zimmermann so. Beide schliessen in Kürze ihre Ausbildung in der Pfarreiseelsorge ab. Sie wünschen sich keinen kompletten Kurswechsel vom neuen Papst.
Ich wünsche mir Spielräume im Umgang mit Menschen aus der Queer-Community.
«Papst Franziskus hat kontroverse Fragen bewusst offengelassen», sagt Moritz Zimmermann. So sei dem Papst ein Spagat gelungen zwischen progressiven und konservativen Positionen.
Das erhofft sich Moritz Zimmermann auch in Zukunft: «Ein Papst, der den lokalen Kirchen Spielräume lässt beim Umgang mit Menschen aus der Queer-Community und beim Frauenthema, das wäre ein riesiger Schritt.»
Kirche braucht Glaubwürdigkeit
Der Wunsch von Katharina Jost und dem Ehepaar Zimmermann ist derselbe: viel Freiheit bei der Arbeit mit den Gläubigen. So können sie progressive Wege weiter gehen, auch wenn sie die katholische Kirche in anderen Regionen der Welt ablehnt.
Der Papst ist ein Botschafter für die lokalen Kirchen.
Doch auch wenn Rom im Alltag in weite Ferne rückt, der Papst sei ein wichtiger Botschafter für die Pfarreien vor Ort. «Rom färbt sehr stark auf uns ab, wenn es um Glaubwürdigkeit geht und um Vertrauen», sagt Sophie Zimmermann. Ein weiterer eher progressiver Papst könnte ihre Arbeit unterstützen.
Potenzieller Papst zu Besuch
Ob es dazu kommt oder ob das Pendel zurückschwingt, ist für Theologin Katharina Jost schwer zu beurteilen. Mehr als 100 Kardinäle stehen theoretisch zur Wahl für das nächste Pontifikat. Einer von ihnen ist Mario Grech. 2020 machte Papst Franziskus den Geistlichen aus Malta zum Kardinal – und zum Sekretär der Bischofssynode, die den Papst berät.
In dieser Funktion war Mario Grech letztes Jahr zu Besuch in der Schweiz. «Er wollte eine Pfarrei kennenlernen, die von einem Laien geleitet wird», sagt Katharina Jost. Auch für die Arbeit der Frauen in der Kirche habe er sich interessiert. So kam der Kardinal zu Katharina Jost und ihrem Ehemann Andreas Graf. Er leitet die Pfarrei im Kanton Luzern offiziell, sie arbeitet mit und ist als Seelsorgerin tätig.
Kardinal Mario Grech wäre ein guter Papst.
«Er hat uns lange zugehört», berichtet Katharina Jost vom Treffen. An ihren progressiven Ideen habe er sich nicht gestört. So fehlt im Innenraum ihrer Kirche der traditionelle Sitz für den Priester während des Gottesdienstes. «Die Reaktion des Kardinals: die katholische Kirche habe grössere Probleme.»
Die Wahl des neuen Papstes kann wenige Stunden dauern oder erst nach mehreren Wochen vorbei sein. Ob der Nachfolger von Franziskus eine progressive oder eine konservative Haltung vertritt, wird sich zeigen. Katharina Jost sagt nach dem Treffen mit Kardinal Mario Grech: «Ich habe den Eindruck, er wäre ein guter Papst.»