Die heftige Kontroverse um das Pestizid Chlorothalonil hat das Thema Trinkwasser und dessen Schutz für viele Leute erst richtig in den Fokus gerückt. Unterdessen arbeitet der Bund zusammen mit den Kantonen Bern und Solothurn seit einem knappen Jahr an einem Pilotprojekt. Ziel des Projektes ist es, neue und vor allem saubere Trinkwasservorkommen zu finden, das zeigen Recherchen von Radio SRF.
Das Pilotprojekt könnte die Wasserversorgung der Schweiz komplett neu aufstellen, allerdings gibt es dabei noch einige Herausforderungen.
Ein Weckruf für die Trinkwasserversorgung
Es traf die Schweiz fast wie ein Blitz und sorgt bis heute für grosse Verunsicherung in der Bevölkerung: Vor knapp zwei Jahren erliess die EU – etwas später auch die Schweiz – ein Verbot für das Pestizid Chlorothalonil, das bis dahin viele Jahre lang vor allem im Getreideanbau in grossen Mengen eingesetzt wurde. Das Mittel schützt Pflanzen vor Pilzbefall.
Fast von einem Tag auf den anderen galt Chlorothalonil bzw. seine Abbauprodukte als möglicherweise gesundheitsschädigend. Auch wenn diese Frage wissenschaftlich und juristisch noch nicht abschliessend geklärt ist, so sorgt der Stoff seither für tiefe Sorgenfalten bei Behörden, Bevölkerung und Wasserversorgern. In einzelnen Regionen, vor allem im Mittelland, findet man nämlich Rückstände des Pestizids in fast allen Trinkwasserfassungen, zum Teil wird der erlaubte Höchstwert um ein mehrfaches überschritten.
Es sei schon eine Art Schock oder besser ein Weckruf gewesen, als man herausgefunden hat, dass fast alle Trinkwasserfassungen im Kanton mit Rückständen des Pestizids Chlorothalonil belastet sind , sagt Rainer Hug, Grundwasserspezialist beim Kanton Solothurn gegenüber Radio SRF. Deshalb war für den Kanton Solothurn klar, dass er sich zusammen mit Bern am Pilotprojekt des Bundes beteiligt.
«Unsere Wasserversorgung ist aktuell stark unter Druck durch verschiedene Stoffe aus der Landwirtschaft oder Siedlungen», sagt Rainer Hug. Daneben setzten auch die durch den Klimawandel vermehrt auftretenden trockenen Sommerperioden die Wasserversorgung unter Druck. Man habe immer mehr Mühe die Wasserfassungen vor Beeinträchtigungen zu schützen und müsse sich deshalb Gedanken zur künftigen Wasserversorgung der Bevölkerung machen, so Hug.
Wasserversorgung braucht verschiedene Standbeine
Unter der Federführung des Bundesamtes für Umwelt übernahm ein spezialisiertes Institut aus der Westschweiz das Projekt mit dem Arbeitstitel «Karstwasser zu Trinkwasser» (siehe Box oben). Gemäss Projektleiter Michael Sinreich vom Bafu geht es vor allem darum, eine Alternative zur heutigen Wasserversorgung zu finden.
In der SRF-Hintergrundsendung Kontext sagt Sinreich: «Es ist heute generell ratsam für Wasserversorger, dass man verschiedene Standbeine hat». Man sollte besser auf verschiedene Ressourcen zugreifen, die auch unterschiedlich auf äussere Einflüsse wie Verschmutzung oder Trockenheit reagieren würden. Das Karstwasser habe hier den Vorteil, dass es aus dem Jura komme. Ein Gebiet, wo es kaum menschliche Einflüsse gibt.
Vielversprechende Ergebnisse
In der ersten Etappe des Projektes, die seit dem Sommer 2020 läuft, ging es darum, entlang eines Streifens des Jura-Südfusses in den Kantonen Solothurn und Bern mögliche Fassungspunkte für das Karstwasser zu finden. Aufbauend auf früherer Forschung wurde dazu ein 3D-Profil des Untergrundes erstellt.
Der Schlussbericht des Projektes ist zwar noch nicht veröffentlicht, dennoch zeigen sich die Beteiligten zufrieden mit den Ergebnissen, sowohl hinsichtlich der verfügbaren Wassermenge, also auch möglicher Fassungspunkte.
Gemäss Rainer Hug vom Kanton Solothurn habe man alleine im Gebiet zwischen La Neuveville und Aarau 25 bis 30 Orte gefunden, wo sich Karstwasser in ausreichender Menge fördern liesse: «Grob geschätzt fliesst in diesem Gebiet eine sehr relevante Menge Trinkwasser», man gehe von Wasser für über 500'000 Menschen aus. Da sich das Juragestein aber auch weiter Richtung Osten ausdehnt, dürfte es noch weit mehr geben.
Und nun?
Auch wenn das Karstwasser gemäss dem Pilotprojekt tatsächlich das Potenzial hätte, die Schweizer Wasserversorgung auf komplett neue Beine zu stellen, wäre die Umstellung nicht ganz einfach. «Es ist keine triviale Sache», sagt dazu Michael Sinreich vom Bundesamt für Umwelt. Es brauche noch mehr Abklärungen, später allenfalls Bohrungen, Leitungen und Pumpwerke und dann stellt sich die Frage, was mit der bestehenden Infrastruktur geschehen soll.
Trotz dieser Herausforderungen ist Rainer Hug vom Kanton Solothurn überzeugt vom Nutzen der Studie: «Man kann die Ergebnisse dieses Projektes auf den ganzen Jurasüdfuss, von Genf bis Zürich anwenden». Im Kanton Solothurn wolle man als nächstes weitere Abklärungen in der Region Gäu vornehmen, diese sei punkto Gewinnung von Karstwasser besonders vielversprechend. Und vielleicht wird sie dann als Pilotregion auch zum Vorbild für die künftige Wasserversorgung in anderen Teilen der Schweiz.