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Pilotprojekt des Bundes Gefährdetes Grundwasser: Bund sucht neue Trinkwasservorkommen

In einem bisher unbekannten Pilotprojekt sucht der Bund zusammen mit Bern und Solothurn nach neuen Trinkwasservorkommen. Hintergrund ist die zunehmende Belastung des Grundwassers durch Pestizide, steigenden Bedarf und Trockenheit infolge Klimawandel.

Die heftige Kontroverse um das Pestizid Chlorothalonil hat das Thema Trinkwasser und dessen Schutz für viele Leute erst richtig in den Fokus gerückt. Unterdessen arbeitet der Bund zusammen mit den Kantonen Bern und Solothurn seit einem knappen Jahr an einem Pilotprojekt. Ziel des Projektes ist es, neue und vor allem saubere Trinkwasservorkommen zu finden, das zeigen Recherchen von Radio SRF.

Projekt Karstwasser zu Trinkwasser: Darum geht es

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Stark verkürzt geht es beim Pilotprojekt des Bundes um die Gewinnung von Trinkwasser aus tief im Boden liegenden Kalksteinschichten. Diese Schichten werden in der Geologie als Karst bezeichnet, charakteristisch dafür sind die Furchen und Spalten, die man auch in Karstgebieten an der Oberfläche sieht. In diesen Furchen und Spalten sammelt sich im Boden Wasser.

Eine bekannte Karstschicht ist der Jurakalk. Wasser, das über dem Jura fällt, sickert durch die Gesteinsschichten tief in den Untergrund. Bei dieser – zum Teil sehr langen – Versickerung wird das Wasser gereinigt und ist folglich extrem sauber. Das Projekt des Bundes sucht nach Grundlagen für die Fassung dieses Wasser aus dem Jurakalk.

Das Pilotprojekt könnte die Wasserversorgung der Schweiz komplett neu aufstellen, allerdings gibt es dabei noch einige Herausforderungen.

Ein Weckruf für die Trinkwasserversorgung

Es traf die Schweiz fast wie ein Blitz und sorgt bis heute für grosse Verunsicherung in der Bevölkerung: Vor knapp zwei Jahren erliess die EU – etwas später auch die Schweiz – ein Verbot für das Pestizid Chlorothalonil, das bis dahin viele Jahre lang vor allem im Getreideanbau in grossen Mengen eingesetzt wurde. Das Mittel schützt Pflanzen vor Pilzbefall.

Fast von einem Tag auf den anderen galt Chlorothalonil bzw. seine Abbauprodukte als möglicherweise gesundheitsschädigend. Auch wenn diese Frage wissenschaftlich und juristisch noch nicht abschliessend geklärt ist, so sorgt der Stoff seither für tiefe Sorgenfalten bei Behörden, Bevölkerung und Wasserversorgern. In einzelnen Regionen, vor allem im Mittelland, findet man nämlich Rückstände des Pestizids in fast allen Trinkwasserfassungen, zum Teil wird der erlaubte Höchstwert um ein mehrfaches überschritten.

Karte der Schweiz
Legende: In mindestens zwölf Kantonen (Stand Februar 2020) dürften die Grenzwerte für Chlorothalonil im Grundwasser überschritten sein. Besonders betroffen sind die zum Beispiel die Mittellandkantone Bern, Solothurn und Aargau. In den Kantonen Bern, Solothurn und Schaffhausen liegen konkrete Zahlen vor, wie viele Menschen betroffen sind. SRF

Es sei schon eine Art Schock oder besser ein Weckruf gewesen, als man herausgefunden hat, dass fast alle Trinkwasserfassungen im Kanton mit Rückständen des Pestizids Chlorothalonil belastet sind , sagt Rainer Hug, Grundwasserspezialist beim Kanton Solothurn gegenüber Radio SRF. Deshalb war für den Kanton Solothurn klar, dass er sich zusammen mit Bern am Pilotprojekt des Bundes beteiligt.

«Unsere Wasserversorgung ist aktuell stark unter Druck durch verschiedene Stoffe aus der Landwirtschaft oder Siedlungen», sagt Rainer Hug. Daneben setzten auch die durch den Klimawandel vermehrt auftretenden trockenen Sommerperioden die Wasserversorgung unter Druck. Man habe immer mehr Mühe die Wasserfassungen vor Beeinträchtigungen zu schützen und müsse sich deshalb Gedanken zur künftigen Wasserversorgung der Bevölkerung machen, so Hug.

Wasserversorgung braucht verschiedene Standbeine

Unter der Federführung des Bundesamtes für Umwelt übernahm ein spezialisiertes Institut aus der Westschweiz das Projekt mit dem Arbeitstitel «Karstwasser zu Trinkwasser» (siehe Box oben). Gemäss Projektleiter Michael Sinreich vom Bafu geht es vor allem darum, eine Alternative zur heutigen Wasserversorgung zu finden.

Trinkwasser in der Schweiz: Stark von einem Wasserträger abhängig

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Der weitaus grösste Teil des Schweizer Trinkwassers ist Lockergesteinsgrundwasser. Dabei handelt es sich um Wasser, das relativ nahe an der Bodenoberfläche in lockerem Gestein fliesst. Vor allem in den Flusstälern stösst man sehr einfach auf dieses Grundwasser und kann es auch mit verhältnismässig wenig Aufwand fördern. Vor allem im Mittelland bildet diese Form des Grundwassers das Rückgrat der Trinkwasserversorgung.

Dieses oberflächennahe Grundwasser ist allerdings anfällig für menschliche Einflüsse und Verschmutzungen, seien es Abfälle oder Pestizide. Wenn sich ein Stoff – wie Chlorothalonil – einmal in diesem Wassersystem befindet, so kann das die Wasserversorgung im schlechtesten Fall über Jahrzehnte beeinflussen. Gemäss Fachleuten entsteht durch die starke Abhängigkeit von diesem Lockergesteinsgrundwasser ein Risiko für die Trinkwasserversorgung, es wäre deshalb wünschenswert, wenn man diese Abhängigkeit durch Erschliessung anderer Wasservorkommen reduzieren könnte.

In der SRF-Hintergrundsendung Kontext sagt Sinreich: «Es ist heute generell ratsam für Wasserversorger, dass man verschiedene Standbeine hat». Man sollte besser auf verschiedene Ressourcen zugreifen, die auch unterschiedlich auf äussere Einflüsse wie Verschmutzung oder Trockenheit reagieren würden. Das Karstwasser habe hier den Vorteil, dass es aus dem Jura komme. Ein Gebiet, wo es kaum menschliche Einflüsse gibt.

Vielversprechende Ergebnisse

In der ersten Etappe des Projektes, die seit dem Sommer 2020 läuft, ging es darum, entlang eines Streifens des Jura-Südfusses in den Kantonen Solothurn und Bern mögliche Fassungspunkte für das Karstwasser zu finden. Aufbauend auf früherer Forschung wurde dazu ein 3D-Profil des Untergrundes erstellt.

Trinkwassergewinnung aus Karstgestein: Schon früher erforscht

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Computermodell der Gesteinsschichten
Legende: NFP Projekt Swisskars

Dass sich in karstigen Kalkgesteinsschichten tief im Boden grosse Mengen Wasser befinden, ist schon lange bekannt. Experten gehen davon aus, dass sich im Karstgestein rund 120 Kubikkilometer Wasser befinden, das entspricht in etwa der 1.5-fachen Menge des ganzen Genfersees. Zum Vergleich: Im heute hauptsächlich genutzten Lockergestein finden sich nur ca. 10 Kubikkilometer Grundwasser, die Karstwasserreserven sind also ungleich grösser.

Im Zuge vermehrter Trockenperioden im Sommer wurde auch die Wassergewinnung aus den Karstschichten bereits untersucht. Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogrammes NFP61 «Swisskarst» entwickelten Forschende bereits 2010-2013 unter anderem eine Methode, um mögliche Ausbeutungspunkte für Karstwasser zu lokalisieren. Dabei ging es im Wesentlichen um die Erstellung zuverlässiger 3D-Modelle des Untergrundes. Dank solcher Modelle bzw. Karten des Untergrundes lässt sich sehen, wo sich wasserführende Kalksteinschichten besonders nahe an die Bodenoberfläche falten. Normalerweise verlaufen diese Schichten in bis zu 1000 Metern Tiefe, das Anzapfen wäre hier kaum möglich und auch das Wasser selber liesse sich wegen hoher Temperatur und Salzgehalt kaum verwenden. An den Faltungsstellen hingegen wäre das Anzapfen des Karstwassers technisch und finanziell möglich.

Trotz dieser bekannten Grundlagen beschränkt sich die Nutzung von Karstwasser in der Schweiz bis heute vor allem auf Orte, wo Karstquellen natürlich an die Oberfläche treten. Das Anzapfen von Karstschichten im Untergrund, sei bisher schlicht nie nötig gewesen, da ja ausreichend sauberes Grundwasser mit wenig Aufwand aus dem Lockergestein gewonnen werden konnte.

Der Schlussbericht des Projektes ist zwar noch nicht veröffentlicht, dennoch zeigen sich die Beteiligten zufrieden mit den Ergebnissen, sowohl hinsichtlich der verfügbaren Wassermenge, also auch möglicher Fassungspunkte.

Gemäss Rainer Hug vom Kanton Solothurn habe man alleine im Gebiet zwischen La Neuveville und Aarau 25 bis 30 Orte gefunden, wo sich Karstwasser in ausreichender Menge fördern liesse: «Grob geschätzt fliesst in diesem Gebiet eine sehr relevante Menge Trinkwasser», man gehe von Wasser für über 500'000 Menschen aus. Da sich das Juragestein aber auch weiter Richtung Osten ausdehnt, dürfte es noch weit mehr geben.

Und nun?

Auch wenn das Karstwasser gemäss dem Pilotprojekt tatsächlich das Potenzial hätte, die Schweizer Wasserversorgung auf komplett neue Beine zu stellen, wäre die Umstellung nicht ganz einfach. «Es ist keine triviale Sache», sagt dazu Michael Sinreich vom Bundesamt für Umwelt. Es brauche noch mehr Abklärungen, später allenfalls Bohrungen, Leitungen und Pumpwerke und dann stellt sich die Frage, was mit der bestehenden Infrastruktur geschehen soll.

Trotz dieser Herausforderungen ist Rainer Hug vom Kanton Solothurn überzeugt vom Nutzen der Studie: «Man kann die Ergebnisse dieses Projektes auf den ganzen Jurasüdfuss, von Genf bis Zürich anwenden». Im Kanton Solothurn wolle man als nächstes weitere Abklärungen in der Region Gäu vornehmen, diese sei punkto Gewinnung von Karstwasser besonders vielversprechend. Und vielleicht wird sie dann als Pilotregion auch zum Vorbild für die künftige Wasserversorgung in anderen Teilen der Schweiz.

Regionaljournal Aargau Solothurn 12:03 Uhr

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