Zum Inhalt springen

Plastik in der Umwelt Schweizer Start-up sagt Styropor den Kampf an – mit Pilzen

Gerade bei Verpackungen wird viel Plastik verwendet. Hier will das Start-up eine ökologische Alternative entwickeln.

Die Begeisterung der Jungunternehmer ist riesig. Die Begeisterung für Pilze. Diese können nämlich zu Nutzmaterial verarbeitet werden: «Das ist eine Revolution. Mit dieser Technik können wir Plastik in vielen Anwendungen ersetzen. Das Pilzmaterial ist biologisch abbaubar und auch günstig», sagt einer der Mit-Gründer Jonas Staub. Mit Speisepilzen wie Champignons oder Eierschwämmli hat das Projekt wenig zu tun. Das Ziel des Start-ups: Verpackungsmaterial auf Basis von Pilzen industriell und damit massentauglich zu produzieren.

Studium abgebrochen – Start-up gegründet

Für diese Vision hat Jonas Staub zusammen mit Mosas Pilscheur und Moritz Schiller hat er das Start-up Mycrobez gegründet. Die Anfang 20-Jährigen setzen alles auf diese Karte und haben für das Projekt sogar das Studium an der ETH Zürich abgebrochen.

So wächst der Pilz in die gewünschte Form

Box aufklappen Box zuklappen
Aus Pilzmycel geformte Verpackungsformen.
Legende: zvg, Mycrobez

Mit Speisepilzen hat das Projekt wenig zu tun. Das Team arbeitet mit dem Mycel eines Baumpilzes. Das ist jener Teil des Pilzes, der normalerweise im Verborgenen, oft unter dem Boden, wächst. Das Besondere daran: Myzel kann in jede Richtung wachsen und damit verschiedene Formen annehmen. Konkret bedeutet dies, dass eine Negativform vorgibt, wie der Pilz am Schluss aussieht. Wenn der Pilz, der von einem Substrat aus Agrarabfällen genäht wird, die gewünschte Form hat, kommt er in den Ofen. Durch den Brennungsprozess stirbt der Pilz ab. Der Wachstumsprozess stoppt und die Form härtet aus.

Ab auf den Kompost

Am Schluss der Produktion weise dieses Material ähnliche Eigenschaften wie Styropor auf. Es ist leicht, isoliert und dämpft gegen Aufpralle. Im Gegensatz zu Styropor sei es aber zu 100 Prozent biologisch abbaubar. Das Produkt zersetze sich, wenn es mit Feuchtigkeit und Bakterien genügend lange in Berührung kommt. Diese Bedingung sei zum Beispiel auf einem normalen Kompost gegeben.

Das Team könne den Pilz in alle gängigen Formen von Verpackungen wachsen lassen. «Egal was für eine Form wir vorgeben, der Pilz wächst da hinein. Kürzlich haben wir zum Beispiel eine Eier-Schachtel hergestellt», sagt Staub.

Das fertige Pilzprodukt fühlt sich in der Hand ähnlich an wie Styropor – und habe auch vergleichbare Eigenschaften. Es ist leicht, isoliere gut und dämpfe gegen Aufpralle. Im Gegensatz zu Styropor habe ihr Produkt einen entscheidenden Unterschied: «Es ist vollständig biologisch abbaubar. Auf dem Kompost im Garten verrottet es etwas gleich schnell wie eine Bananenschale – völlig ohne giftige Rückstände», sagt Staub. Ihr Produkt eigne sich daher ideal als Verpackungsmaterial. Oft werde das nur gerade einmal verwendet, bevor es im Abfall – oder im schlimmeren Fall – in der Umwelt landet. Konventionelle Stoffe wie Styropor bauen sich kaum ab.

Wir wollen ein industrielles Massenprodukt produzieren.
Autor: Jonas Staub

Mit dieser Technik sind die Basler Jungunternehmer aber nicht die einzigen. Auch andere Start-ups tüfteln an verschiedenen Pilzmaterialien. Der entscheidende Schritt sehen die Jungunternehmer in der Produktion. «Wir wollen ein industrielles Massenprodukt produzieren. Soweit wir wissen, sind wir die ersten, die das anstreben», sagt Staub. Ihr Ziel sei es, ihr Pilzprodukt günstiger verkaufen zu können als Styropor.

Knackpunkt: Industrielle Produktion

Das sei ein Vorhaben mit viel Potenzial, sagt Professor Markus Künzler, der an der ETH zu Pilzen forscht. Pilzmyzel sei tatsächlich ein interessantes Material. Es gebe aber auch einige Knackpunkte. Es sei zum Beispiel eine Herausforderung, mit biologischem Material eine Massenproduktion zu planen. «Die Biologie verhält sich nicht immer, so wie wir das wollen.» Eine entscheidende Frage dürfte sein, wie zuverlässig das Unternehmen in grossem Stil produzieren kann, sagt Künzler.

Noch ist dieser Plan aber Zukunftsmusik. Im Moment tüftelt das Team noch im Keller eines gewöhnlichen Basler Wohnhauses an ihren Plänen. «Unsere eigentliche Innovation wäre die automatisierte Produktion der Pilzformen. Die wollen wir auch patentieren lassen», sagt Staub. Heute sei bei der Produktion noch enorm viel Handarbeit gefragt. Zukünftig soll die Produktion voll automatisiert ablaufen. «Wir wollen dafür bekannte Geräte auf eine neue Art und Weise einsetzen.» Genaueres möchte die drei Forscher nicht preisgeben, um ihre Innovation zu schützen.

Kooperation mit Hochschule

Für die Entwicklung der speziellen «Pilzfabrik» arbeite das Start-up Mycrobez zusammen mit der «ZHAW», der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Geplant sei, dass Anfang 2021 der erste Prototyp im Raum Basel in Betrieb gehen kann.

Regionaljournal Basel, 15.10.2020, 17:30 Uhr

Meistgelesene Artikel