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Prozess um Millionen-Zahlung Ehemalige Fussballfunktionäre vor Bundesstrafgericht

Es geht um die Rückzahlung eines Darlehens von OK-Chef Franz Beckenbauer vor der Fussball-WM 2006. Der Vorwurf: Mittäterschaft beziehungsweise Gehilfenschaft zu Betrug. Ohne ein Urteil verjährt der Fall Ende April.

Fünf Jahre nach Beginn der Ermittlungen bringt die Bundesanwaltschaft den ersten und gleichzeitig bekanntesten Fall aus dem Untersuchungskomplex Fussball vor Gericht. Die Verhandlung beginnt nächste Woche vor dem Bundesstrafgericht. Es geht um eine Zahlung von 6.7 Millionen Euro im Vorfeld der WM 2006 in Deutschland. Der Vorwurf: Mittäterschaft beziehungsweise Gehilfenschaft zu Betrug.

Mark Pieth, Professor für Strafrecht an der Universität Basel, kennt die Anklageschrift und hat die Arbeit der Bundesanwaltschaft verfolgt: «Ich denke, man muss ihnen Kredit geben. Wie wir alle dachten sie, womöglich hat hier einfach jemand eine Weltmeisterschaft gekauft. Das konnte man aber nicht nachweisen, soweit ich das sehe. Jetzt ist die Frage: Bleibt etwas zurück, was strafrechtlich relevant ist?»

Darlehen von Franz Beckenbauer zurückbezahlt

Bei der Zahlung hatte das WM-Organisationskomitee (WM-OK) im Jahr 2005 eine Darlehensschuld von OK-Chef Franz Beckenbauer beglichen. Bezahlt von einem Konto des Deutschen Fussballbundes DFB gelangte das Geld über ein Konto der Fifa zum Darlehensgeber.

Hintergrund: Beckenbauer hatte 2002 Fifa-Funktionär Mohamed bin Hammam aus Katar zehn Millionen Franken auf ein Firmenkonto überwiesen – und dafür persönlich ein Darlehen aufgenommen. Wofür die Zahlung genau war, ist bis heute nicht geklärt.

Es geht nur um die Rückzahlung

Vor Gericht geht es aber nur um die Rückzahlung des Darlehens. Angeklagt sind vier ehemalige Fussballfunktionäre: Horst R. Schmidt, ehemaliger DFB-Geschäftsführer, die ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach, sowie der ehemalige Fifa-Generalsekretär Urs Linsi.

Ohne Fiebermessen kein Zutritt

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Der Prozess gegen drei Ex-Funktionäre des Deutschen Fussballbundes in der Schweiz findet wegen des Coronavirus unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Anordnung des Bundesstrafgerichtes in Bellinzona zufolge wird zudem jeder Person «bei Eintritt in das Gerichtsgebäude die Körpertemperatur gemessen». Die Medienvertreter können die am Montag um 9 Uhr beginnende Verhandlung in einem gesonderten Raum auf einem Videobildschirm verfolgen.

Der Vorwurf laut Anklage: Die Angeklagten haben laut Bundesanwaltschaft die Rückzahlung der 6.7 Millionen Euro als Kulturbeitrag für die Eröffnungszeremonie getarnt. Und so den DFB getäuscht und geschädigt. Der Schweizer Urs Linsi soll sich zur Mitwirkung bereit erklärt und das Geld des DFB über ein Fifa-Konto auf das Konto des Darlehensgebers weitergeleitet haben.

Ex-Funktionäre weisen Schuld von sich

Die drei angeklagten Deutschen haben die Vorwürfe stets bestritten. Horst R. Schmidt lässt SRF über seinen Anwalt ausrichten. «Der Vorwurf, das WM-OK habe den DFB geschädigt, ist haltlos und ehrverletzend.»

Auch der Medienbeauftragte von Urs Linsi weist die Vorwürfe zurück: «Diese entbehren jeglicher Grundlage und sind unbewiesen. Urs Linsi ist überzeugt, jederzeit im Rahmen des Gesetzes gehandelt und die Interessen seines damaligen Arbeitgebers gewahrt zu haben.»

Prozess ohne die Hauptakteure

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Nicht vor Gericht stehen Franz Beckenbauer und Ex-Fifa-Funktionär Mohamed bin Hammam. Gunther Latsch, Redaktor bei «Der Spiegel» in Hamburg, hat die Zahlungen vor fünf Jahren bekannt gemacht. «Die Bundesanwaltschaft hat merkwürdigerweise den eigentlichen Sachverhalt im Jahr 2002, wofür das Geld eigentlich war, gar nicht rausermittelt».

Grund: Das Verfahren gegen Beckenbauer wurde wegen dessen Gesundheitszustand von der Bundesanwaltschaft abgetrennt. Im Fall von Mohammed bin Hammam teilte die Bundesanwaltschaft letztes Jahr mit, Katar habe auf ein Rechtshilfeersuchen nie geantwortet.

Ende April verjährt der Fall

Ex-DFB-Präsident Zwanziger wird der Verhandlung aus gesundheitlichen Gründen fernbleiben, wie sein Schweizer Anwalt SRF schrieb. 16 Tage hat das Bundesstrafgericht für die Verhandlung angesetzt. Es will für jede Verzögerung bereit sein. Auch dafür, wenn ein Angeklagter nicht nach Bellinzona reist.

Die Zeit drängt. Das Gericht braucht ein erstinstanzliches Urteil. Denn am 27. April verjährt der Fall – exakt 15 Jahre nach der Rückzahlung des Darlehens.

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