Schweizer Tierarztpraxen bekommen immer häufiger problematische Moderassen zu sehen. Zum Beispiel Julie Schwechler, die als Tierärztin in einer Kleintierpraxis in Stäfa am Zürichsee arbeitet: «Ich merke jeweils, was gerade in den sozialen Medien gehypt wird oder welche Rasse ein Promi sich kürzlich zugelegt hat.» Seit etwa die Sängerin Taylor Swift zwei Schottische Faltohrkatzen besitzt, schaffen sich auch in der Schweiz mehr Leute diese Qualzucht-Rasse an.
Während Möpse laut Schwechler eher zurückgegangen sind, haben diverse Bulldoggen-Rassen sowie britische Kurzhaar- und Perserkatzen Hochkonjunktur.
Mischlingshunde und normale Hauskatzen sind zwar noch immer am verbreitetsten, doch Trendrassen wie Chihuahuas oder britische Kurzhaarkatzen werden immer beliebter.
Deformationen und Atemprobleme
Diese Rassen werden dem Kindchenschema folgend auf ein herziges Aussehen gezüchtet. Laut Schwechler, die auch Vorstandsmitglied bei der Fachsektion für Tierschutz der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST ist, führen diese «niedlichen Merkmale» aber gleichzeitig zu schweren körperlichen Beschwerden.
Die umgeknickten Ohren der Schottischen Faltohrkatze sind laut Schwechler eigentlich ein Knorpel-Gendefekt, der zu schweren Skelettdeformationen und chronischen Schmerzen führt. «Und die extrem runde Kopfform mit den flachen Gesichtszügen und den kleinen Nasen führt zu Problemen mit den Augen, zu Falten im Gesicht und zu Atemproblemen.»
«Schönheit» kommt Halter teuer zu stehen
Für die Besitzer bedeutet das nicht nur, dass sie ihrem Hund oder ihrer Katze bis zu deren Tod beim Leiden zusehen müssen, sondern auch ganz handfest: hohe Tierarztkosten. Laut Schwechler müssen Besitzer mit häufigen Tierarztbesuchen rechnen, es seien von Anfang an gewisse Operationen nötig – zum Beispiel, um die Atemwege zu erweitern – und manchmal sei eine Schmerzbehandlung notwendig. Entsprechende Operationen können zwischen mehreren Hundert und mehreren Tausend Franken kosten.
Zudem ist für viele Moderassen eine Narkose gefährlicher als für normale Katzen und Hunde. Manche Besitzer haben deshalb Angst, ihr Tier operieren zu lassen, weil es sterben könnte. «Ich kläre die Besitzer natürlich immer auf», sagt Schwechler. Leider kämen Besitzer selten zum Tierarzt, um sich vor dem Kauf beraten zu lassen, sondern hätten sich eine problematische Rasse bereits angeschafft.
Rückzucht zu alten, gesünderen Rassemerkmalen
Immerhin: Laut Schwechler kommen in der Schweiz immer mehr Züchter von den Qualzucht-merkmalen weg und züchten die gesündere Ursprungsform zurück. Früher hatten diese Rassen nämlich deutlich längere Nasen.
Nasen immer kürzer gezüchtet
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Bild 1 von 2. Früher. Diese französische Bulldogge – aufgenommen 1952 an einer Bundesfeier in Zürich – hatte noch eine längere Nase ... Bildquelle: KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Jules Vogt.
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Bild 2 von 2. Heute. ... als heutige französische Bulldoggen, wie diese an einer Parade in Warschau 2017. Bildquelle: EPA/Marcin Obara .
«Ich empfehle immer: Wenn Sie sich unbedingt eine französische Bulldogge oder eine britische Kurzhaarkatze anschaffen wollen, gehen Sie zu solchen Züchtern», sagt Schwechler. Seriöse Züchter verpaarten Tiere mit gesünderem Erscheinungsbild und prüften die Elterntiere je nach Rasse mit Gentests, Herzabklärung oder Gelenks-Röntgenbildern.
Das Problem ist aber, dass viele Trendrassen aus dem Ausland importiert werden – im Internet locken günstige Preise. Schwechler ist aber überzeugt, dass sich die höheren Anschaffungskosten bei einem seriösen Schweizer Züchter lohnen: «Langfristig verursacht ein krankes Tier enorme Kosten.» In Extremfällen müssen noch junge Katzen und Hunde sogar eingeschläfert werden.
Und: Wenn ein Besitzer die bei Trendrassen notwendigen Operationen oder Behandlungen nicht machen will, verstösst er als Halter gegen die Tierschutzgesetzgebung. Schwechlers Appell an zukünftige Besitzer lautet deshalb: «Lassen Sie sich nicht von den sozialen Medien und Promis verleiten, sondern wählen sie eine gesunde Zucht.»