In den letzten Monaten hat der Kanton Zürich Gefängnispersonal für die neue Haftanstalt Zürich West rekrutiert, 100 Aufseherinnen und Aufseher wurden gesucht. Das war nicht leicht. Denn ausgebildetes Gefängnispersonal ist rar.
Und so setzten die Justizvollzugsbehörden auf Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger. SRF hat eine solche Quereinsteigerin bei der Ausbildung begleitet und war dabei, als sie eingekleidet wurde.
Kein alltäglicher Beruf
Zum ersten Mal steht Martina (Name geändert) in ihrer blauen Gefängnisuniform vor dem Spiegel. Und ihr gefällt, was sie sieht. «Es fühlt sich gut an. Es wird wieder ein Stück realer. Doch, es ist wirklich so.»
Es ist Mitte April. Für Martina geht ein Traum in Erfüllung. Sie hat ursprünglich Coiffeuse gelernt, aber die letzten Jahre als Sicherheitsangestellte im Asylbereich gearbeitet. Es war schon lange der Wunsch der 42-Jährigen, in einem Gefängnis zu arbeiten. «Es ist nicht so der alltägliche Beruf. Ich arbeite sehr gerne mit Menschen verschiedener Herkunft und mit verschiedenen Hintergründen und bereite sie auf die Integration in die Gesellschaft vor.»
800 Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger haben sich Ende letzten Jahres für die Stellen im neuen Gefängnis Zürich West beworben. In einer ersten Runde wurden 37 eingestellt; darunter ehemalige Polizisten, eine Konditorin und Reisebüroangestellte, die nun in verschiedenen Zürcher Strafanstalten eingearbeitet werden. Martina ist im Untersuchungsgefängnis Winterthur.
Die Grenzen sind klar
Es ist 7 Uhr früh an einem Freitag, Mitte Mai. Martina ist im Untergeschoss in einem der Korridore auf der täglichen Morgentour. Zusammen mit einem Kollegen öffnet sie die dicken Zellentüren, begrüsst die Insassen, verteilt Hygieneartikel, füllt Lebensmittelvorräte auf. «Kaffee und Zucker?», fragt sie.
Der Tonfall ist freundlich, respektvoll, auf beiden Seiten der Zellentür. «Manchmal hat man das Gefühl, es sei so kollegenmässig wie in einem Ferienlager, aber auch, weil sie wissen, wo die Grenzen sind. Sie wissen, in welchem Rahmen sie sich von der Art her bewegen müssen», sagt Martina.
Geduzt wird nicht
Nähe und Distanz seien ein wichtiges Thema bei der Ausbildung der Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, sagt Karin Eggli, Leiterin des Männergefängnisses Winterthur. «Wir siezen alle Insassen, wir duzen nie.»
Und es gebe keinen Körperkontakt, so Eggli. «Wir haben neue Frauen im Team, die vorher nicht hier waren. Ich habe sie darauf vorbereitet, dass ab und zu mal einer flirten will oder was auch immer, um zwei Zigaretten mehr zu bekommen.» Martina sagt, bislang habe sie noch keine schwierigen Situationen erlebt. Sie fühle sich wohl in ihrem neuen Beruf.
In zwei Jahren will sie den Eidgenössischen Fachausweis Justizvollzug erwerben. Für Martina ist klar: Zurück in den Coiffeursalon will sie nicht mehr. Ihre berufliche Zukunft liegt hinter Gefängnismauern.