Darf man Menschen ausbürgern? Grundsätzlich ist das möglich: Schweizer Behörden können einer Doppelbürgerin oder einem Doppelbürger das Bürgerrecht entziehen, wenn die Person dem Interesse oder dem Ansehen der Schweiz schadet. Das könnte etwa dann der Fall sein, wenn jemand einen Terroranschlag verübt oder einen fremden Staat beleidigt und dadurch die guten Beziehungen der Schweiz zu diesem Staat gefährdet. Ein Automatismus besteht nicht. Der Pass kann erst entzogen werden, wenn die Person rechtskräftig verurteilt ist. Wer nur den Schweizer Pass besitzt, würde durch den Entzug staatenlos – das ist völkerrechtlich nicht erlaubt.
Wie häufig kommt es vor? Während des Zweiten Weltkriegs verloren über 80 Personen aus Sicherheitsgründen ihren Schweizer Pass, weil sie sich beispielsweise in Deutschland den Nationalsozialisten angeschlossen hatten. Danach wurde lange Zeit niemand ausgebürgert. Erst in den letzten Jahren kam es – im Zusammenhang mit islamistischem Terrorismus – erneut zu sechs Ausbürgerungen. Laut der Co-Autorin der Untersuchung, Mira Schwarz, mag das zwar nach wenigen Fällen aussehen. «Aber sie schaffen Präzedenzfälle.» Es etabliert sich also eine neue Praxis – mit möglicherweise weitreichenden Folgen.
Macht das nur die Schweiz? Nein, auch in anderen europäischen Staaten und in Kanada wird über die Ausbürgerung von Dschihad-Reisenden diskutiert – vor allem, um eine Rückkehr zu verhindern. Deutschland hat 2019 das Gesetz verschärft, seither können Doppelbürger wegen Dschihad-Reisen ausgebürgert werden. Da die meisten Dschihad-Reisenden Deutschland vor der Gesetzeseinführung verlassen haben, ist bis jetzt noch niemand ausgebürgert worden.
Ist es zur Prävention sinnvoll? Die beiden Forschenden kommen in einem Paper zum Schluss, dass der Bürgerrechtsentzug keine geeignete Prävention ist. Er könne sogar kontraproduktiv sein: Da nur Doppelbürgerinnen und Doppelbürger ausgebürgert werden können, führe das zu einer Stigmatisierung. «Wenn eine Person Diskriminierung erlebt, kann das eine Radikalisierung begünstigen», sagt Schwarz.
Was wirkt besser? Laut den Forschenden sind Angebote der Prävention, der Distanzierung und der Wiedereingliederung die bessere Alternative. Dabei sollen Betroffene sich von ihrer extremistischen Ideologie distanzieren und sich ein neues Leben aufbauen: Sie sollen sich von alten (extremistischen) Kontakten lösen und einen neuen Freundeskreis aufbauen, sie sollen legale Freizeitbeschäftigungen und Interessen entdecken sowie – zum Beispiel durch eine Arbeit – an Selbstvertrauen gewinnen. «Wenn die De-Radikalisierung eine Lücke hinterlässt, muss diese mit neuen Inhalten gefüllt werden», sagt Schwarz. Doch just an solchen vorausschauenden De-Radikalisierungsprogrammen mangelt es in der Schweiz.
Was machen andere besser? Laut Schwarz ist die Distanzierungsarbeit in Deutschland breit aufgestellt. «Es gibt phänomenspezifische Angebote für die Distanzierung von Rechtsextremismus, Linksextremismus oder religiös begründetem Extremismus.» Es gebe viel Erfahrung und Wissen aus der Prävention gegen Rechtsextremismus, an der angeknüpft werden könne. Dass sich die kleine Schweiz an Deutschland orientiert, findet Schwarz sinnvoll. «In Deutschland gibt es mehr Fälle, sie haben entsprechend mehr Erfahrung.»