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Radsport-Stadt Zürich Blutige Stürze, Zechen bis in die Morgenstunden und ein Pony

Schon vor der Rad-WM 2024 war Zürich Austragungsort legendärer Radrennen wie dem Sechstagerennen oder der Züri-Metzgete: ein Rückblick.

Mit 112 Jahren ist die offene Rennbahn die älteste Radrenstätte auf Zürcher Boden. Auf der Tribüne sitzt nun Heier Lämmler. Er ist im Vorstand des Trägervereins und weiss, warum die Rennbahn ausgerechnet in Oerlikon steht: «Damals betrieben noch Private das Tramnetz. Und der Betreiber der Linie nach Oerlikon machte sich Sorgen, weil nicht genügend Menschen die Verbindung nutzten. Da musste er etwas unternehmen.»

Draussen auf der Rennbahn, drinnen im Hallenstadion

Der Trambetreiber war der Gründer der Rennbahn, die ab 1912 das Publikum in Scharen nach Oerlikon brachte – und die Tramlinie sanierte.

Steher-Rennen 1938 in der offenen Rennbahn Oerlikon
Legende: Steher-Rennen 1938 in der offenen Rennbahn Oerlikon Keystone/Photopress Archives

Es ging immer schon ums Spektakel bei den Radrennen – und auch um Geld. Das zeigt sich beim Hallenstadion, das 1939 direkt neben der offenen Rennbahn eröffnete. Denn bevor Eishockey und Konzerte gespielt wurden, wurde das Hallenstadion für Radrennen genutzt.

Noch heute werden in der offenen Rennbahn Oerlikon regelmässig Rennen gefahren
Legende: Noch heute werden in der offenen Rennbahn Oerlikon regelmässig Rennen gefahren (im Bild: die Rad-Schweizermeisterschaft 2021). Keystone/Michael Buholzer

Das Velodrome entstand aus der Not, erzählt Heier Lämmler: «Wenn es auf der offenen Rennbahn in Strömen regnete, mussten die Rennen abgesagt werden, weil die Bahn glitschig wurde.» Eine Absage war ein teures Verlustgeschäft – eines, das durch die Verlegung der Rennen ins Hallenstadion verhindert werden konnte.

Luftaufnahme von 1938 von der offenen Rennbahn und dem neugebauten Hallenstadion – ein Jahr vor seiner Eröffnung
Legende: Luftaufnahme aus dem Jahr 1938 von der offenen Rennbahn und dem neugebauten Hallenstadion – ein Jahr vor seiner Eröffnung. Keystone/Photopress Archives

Die Radrennen im Oval des Hallenstadions waren so erfolgreich, dass die Organisatoren in den 1950er-Jahren auf eine besondere Idee kamen: Ein Sechstagerennen, das die Leute ins Stadion locken sollte – am Tag und vor allem auch in der Nacht.

Neue Möglichkeiten taten sich auf in einer Zeit, in der wegen der Polizeistunde nach 23:30 Uhr meist Ruhe herrschte in der Stadt. Heier Lämmler sagt: «Am Sechstagerennen konnte man bis um 2 Uhr morgens rauchen, zechen und feiern. Vielen war der Ausgang fast wichtiger als der Radrennsport.»

Walter Bucher schickt Jean Roth ins Rennen. Aufgenommen im März 1956 beim Sechstagerennen in Zürich
Legende: Walter Bucher (rechts) schickt Jean Roth ins Rennen. Aufgenommen im März 1956 beim Sechstagerennen in Zürich. Keystone/Photopress Archives

Auch, was den Sieger des Zürcher Sechstagerennens in den 1950er-Jahren erwartete, diente der Volksbelustigung: Der Zirkus Knie stiftete ein Pony, das mit dem Rennsieger eine Ehrenrunde drehte, den sogenannten Pony-Sprint.

Rennsieger Oscar Plattner mit Rolf Knie beim traditionellen Pony-Sprint am Sechstagerennen im Hallenstadion im März 1957
Legende: Rennsieger Oscar Plattner (Dritter von rechts) mit Rolf Knie (Mitte) beim traditionellen Pony-Sprint am Sechstagerennen im Zürcher Hallenstadion im März 1957 Keystone/Photopress Archives

Diese Sieger haben noch heute Legendenstatus: etwa Bruno Risi und Kurt Betschart, die Alpentornados aus Uri. Bruno Risi hat in Zürich 11 Mal gewonnen. 2009 sagte er vor seinem letzten Rennen: «Für mich ist die Faszination des Bahnsports der direkte Kontakt zum Publikum. Wenn die Leistung gut ist, dann machen die Leute mit.»

Klassisches Strassenrennen von 1910 bis 2007

Viel Publikum begeistert hat auch die Züri-Metzgete: ein klassisches Strassenrennen an einem Tag. Der Start war in Zürich, die Route führte über den Pfannenstiel meistens nach Bülach, bis in den Kanton Aargau und zurück nach Zürich.

Noch zwei Jahre vor der Eröffnung der offenen Rennbahn in Oerlikon startete 1910 die erste Züri-Metzgete. 2007 fand sie zum letzten Mal statt, da nicht genug Sponsoren gefunden wurden.

Der Zürcher Fredy Rüegg gewann 1960 die Züri-Metzgete
Legende: Der Zürcher Fredy Rüegg gewann 1960 die Züri-Metzgete. Keystone

Bei dieser letzten Ausgabe fuhr auch Fabian Cancellara mit. Er sagte damals: «Ich kann zufrieden sein, dass ich das Rennen überlebt habe, weil es eine richtige Metzgete war heute».

Die Züri-Metzgete galt wegen der vielen Stürze als hartes Rennen: die Gewinner von 1932
Legende: Die Züri-Metzgete galt wegen der vielen Stürze als hartes Rennen: die Gewinner von 1932. Keystone/Fotostiftung Schweiz Hans Staub

Denn auch wenn die Züri-Metzgete im Herbst stattfand, hatte der Name weniger mit dem traditionellen Essen mit Blut- und Leberwürsten zu tun als mit den vielen Stürzen. Heier Lämmler sagt: «Die Rennfahrer bluteten manchmal tatsächlich so stark, als wäre man an einer Metzgete im Herbst.»

Aktuell sind die Radrennfahrer also zurück in Zürich für die Weltmeisterschaft – nach 1923, 1929 und 1946 bereits zum vierten Mal.

Weltmeisterschaft in Zürich 1946

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 24.9.2024, 17:30 Uhr ; 

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