Der Bundesrat muss viel Kritik einstecken nach dem gestrigen Verhandlungsabbruch in Sachen Rahmenabkommen. Sieben Jahre Verhandlungen, und dann: Ausser Spesen nichts gewesen.
Der Regierung und insbesondere Aussenminister Ignazio Cassis wird Führungsschwäche vorgeworfen. Für Politikwissenschafter Claude Longchamp liegt das Problem aber nicht bei zu schwachen, sondern bei zu vielen Köpfen. Gerade bei solch strategischen Dossiers wie dem Rahmenabkommen brauche es Kohärenz und eine Unité de Doctrine – diese fehle im aktuellen Bundesrats-Team.
Systemwechsel gefordert
Das liege auch am schweizerischen Regierungssystem. Das Bundespräsidium wechselt jedes Jahr, und weil der Bundesrat nach arithmetischen und nicht nach inhaltlichen Kriterien zusammengesetzt ist, fehlt eine einheitliche Linie – auch im Auftreten gegenüber den Verhandlungspartnern.
Claude Longchamp schlägt deshalb einen Systemwechsel vor. Zu Beginn einer Amtsperiode würde der Bundesrat die Stossrichtung bei den wichtigsten Themen festlegen, zum Beispiel im Europadossier.
Vier Jahre Bundespräsident
In der Regierung wären dann die Parteien vertreten, die die strategische Richtung auch unterstützen. Und an der Spitze dieser Regierung, meint Politologe Longchamp, «steht ein Bundespräsident, eine Bundespräsidentin, die dafür sorgt, dass die auseinanderdriftenden Kräfte rechtzeitig wieder eingebunden werden».
Mindestens vier Jahre wäre die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident im Amt. Ein so organisierter Bundesrat – davon ist Claude Longchamp überzeugt – wäre in den zentralen Polit-Themen deutlich handlungsfähiger.