Der Bundesrat hat heute nicht entschieden zum Rahmenabkommen. Wieder nicht. Einmal mehr. Doch die Entscheidung naht. Nächsten Freitag, 7. Dezember, wird die Landesregierung definitiv entscheiden müssen über das Rahmenabkommen.
Die Stunde der Wahrheit naht also nach fünf langen Jahren, in denen nie ganz klar war, worüber genau der Bundesrat verhandelt. Kommt bald der Durchbruch oder droht der Absturz, fragten sich die Beobachter? Nun ist es wohl mehr als an der Zeit zu entscheiden. Will die Schweiz ein Rahmenabkommen oder nicht? Der ausgehandelte Entwurf liegt vor, gut 30 Seiten ist er dick. Details sind durchgesickert.
Worum geht es im Kern?
Das Rahmenabkommen soll eine Art Dach werden für die fünf wichtigsten Abkommen der Schweiz mit der EU: Luftverkehr, Landverkehr, Personenverkehr, technische Handelshemmnisse und Landwirtschaft. Das jetzt ausgehandelte Abkommen regelt etwa, wie künftiges Recht übernommen wird (dynamisch, aber nicht automatisch) und wie Streit beigelegt werden soll (neu mit einem Schiedsgericht). Heute gibt es kein Streitbeilegungsverfahren. In diesen «institutionellen» Fragen sind sich die Schweiz und die EU offenbar einig.
Bei folgenden strittigen Punkten hat die EU jetzt angeblich der Schweiz ein Angebot gemacht. «Take it or leave it» tönt es aus Brüssel. «Ihr habt Zeit bis am 7. Dezember»:
- Flankierende Massnahmen: Die achttägige Voranmeldefrist soll auf vier Tage halbiert werden. Dafür sollen diese vier Tage im Rahmenabkommen völkerrechtlich verankert werden.
- Unionsbürgerrichtlinie: Diese Weiterentwicklung des Freizügigkeitsabkommens, das auch den erleichterten Zugang zu Sozialleistungen vorsieht, soll im neuen Rahmenabkommen gar nicht vorkommen. Die Schweiz hofft: Was nicht drin steht, gibt es gar nicht. Die Gefahr besteht, über ein Schiedsgerichtsverfahren kommt die Richtlinie dann eben doch aufs Parkett, erst in ein paar Jahren. Die Schweiz hätte Zeit sich anzupassen.
- Neue Guillotine-Klausel: Wie schon bei den Bilateralen I drängt die EU auch jetzt beim Rahmenabkommen auf eine Klausel, die sagt: «Macht ihr in einem der Abkommen nicht mehr mit, können die anderen vier nicht einfach so weiter funktionieren. Wir müssten dann den ganzen Rahmen überdenken.»
Das ist der Kern. Über dieses ausgehandelte Abkommen muss der Bundesrat nächsten Freitag befinden. Was kann die Regierung tun? Sie dürfte drei Optionen haben:
«Ja, ich will das Rahmenabkommen» Das würde der EU passen, weil die Schweiz damit das Angebot der Union annehmen würde – auch die umstrittenen Punkte. Die sogenannten roten Linien des Bundesrates würden überschritten, innenpolitisch wäre Feuer im Dach. Eine Mehrheit im Parlament würde das wohl so nicht akzeptieren.
«Nein, ich will das Rahmenabkommen nicht» Das würde vielen in der Schweiz passen, aber der EU nicht. Seit mehr als zehn Jahren pocht Brüssel auf ein institutionelles Dach. Bei einem Nein wäre mit Nadelstichen zu rechnen: keine Anerkennung der Schweizer Börse mehr in der EU. Nur noch Drittstaat sein beim neuen Forschungsabkommen. Neue technische Handelshemmnisse: Gift für die Exportindustrie. Es gäbe viele Möglichkeiten, die Schweiz zu piesacken.
Weder ein «Ja», noch das «Nein» sind also gute Optionen für den Bundesrat. Daher drängt sich wohl ein «Ja, aber » oder «Jein» auf. Was hiesse das konkret?
Wie man auf den Gängen in Bundesbern hört, könnte der Bundesrat wie schon bei den Bilateralen II 2004 das ausgehandelte Rahmenabkommen öffentlich machen bei Parlament, Parteien und Kantonen – und am Schluss darüber befinden. Wollen wir das?
In Kenntnis des Verhandlungsresultates müsste im Inland eine Debatte über die Vor- und Nachteile dieses Vertrags stattfinden. Vor den Wahlen 2019 wäre ein parteipolitisches Gezänk um Details wohl wahrscheinlich. Der Ausgang dieser Vernehmlassung ist völlig offen. Wahrscheinlich gäbe es danach eine Volksabstimmung.
Am Schluss wüsste die Schweiz, fliegt dieses Rahmenabkommen oder eben nicht. BDP-Präsident Martin Landolt, Befürworter eines Rahmenabkommens, bringt es auf den Punkt. «Wer keinen Rahmen hat, ist nicht im Bild!»