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Rahmenabkommen – wie weiter? Politologe: «In dieser Form scheint der Vertrag zu scheitern»

Auch wenn das Rahmenabkommen scheitert – an der Ausgangslage ändere das nichts, sagt Politologe Fabio Wasserfallen.

Kein Abbruch der Gespräche mit der EU über ein Rahmenabkommen, aber eine deutliche Ansage Richtung Brüssel: Der Bundesrat werde das Abkommen nur unterschreiben, wenn noch Lösungen bei den drei offenen Punkten gefunden werden: Lohnschutz, staatliche Beihilfen und Unionsbürgerrichtlinie.

Überraschend offen und direkt hat Bundespräsident Guy Parmelin gestern von fundamentalen Differenzen zwischen der Schweiz und der EU gesprochen. Das sei eigentlich nur konsequent nach den Äusserungen vom vergangenen Freitag, wonach die Differenzen auf politische Ebene nicht überbrückbar gewesen seien, stellt Fabio Wasserfallen fest, Professor für europäische Politik am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern.

Ist die Sache gelaufen?

Zur drängenden Frage, ob das Rahmenabkommen nun definitiv oder nur «vorerst» gescheitert ist, stellt Wasserfallen fest, dass die Interessenkonstellation in jedem Fall gleich bleiben werde: «Die Schweiz will die bilateralen Beziehungen weiterführen und Marktzugang, die EU will das nur mit einem Rahmenabkommen ermöglichen.»

Wie es nun aussehe, wolle oder könne der Bundesrat den Rahmenvertrag in dieser Konstellation nicht unterzeichnen, sagt Wasserfallen: «In dieser Form scheint der Vertrag also zu scheitern.»

In dieser Form scheint der Vertrag zu scheitern.
Autor: Fabio Wasserfallen Professor für Europäische Politik, Universität Bern

Bei der vom Bundesrat nun angekündigten Auslegeordnung sei davon ausgehen, dass wieder der bilaterale Weg im Vordergrund stehe, während Brüssel auf einem Rahmenabkommen beharre. An der grundsätzlichen Ausgangslage werde sich also nichts ändern, unterstreicht der Politologe: «Man wird wahrscheinlich wieder auf diesen Weg zurückgehen müssen. Die Frage ist, wann und in welcher Konstellation.»

Kein Interesse an PFZ-«Update»

Die gestrige Aussage von Aussenminister Ignazio Cassis, die Schweiz habe bei der Personenfreizügigkeit die gleiche Haltung wie beim Abschluss der Bilateralen I vor 20 Jahren, illustriere den Fundamentalkonflikt, sagt Wasserfallen. Denn der Bundesrat betone damit, dass er kein dynamisches Interesse an einem «Update» habe.

Der Bundesrat betont damit, dass er kein Interesse an einem Update hat.
Autor: Fabio Wasserfallen Professor für Europäische Politik, Universität Bern

Gerade dies aber peile die EU aufgrund der Veränderungen im Binnenmarkt an und wolle, dass die Schweiz mit den entsprechenden Spielregeln teilnehme. «Es geht ja eigentlich nur um die Personenfreizügigkeit mit der Unionsbürgerrichtlinie und dem Lohnschutz. Und es zeigt der EU, dass die Schweiz das Rahmenabkommen im Bereich der Personenfreizügigkeit eigentlich gar nicht will.»

Kaum Hoffnung auf Zugeständnisse der EU

Die Kritik des Bundesrats hat laut Wasserfallen natürlich auch innenpolitische Gründe, braucht er doch eine sehr grosse Koalition, damit so eine Vorlage im Volk gegen den Widerstand der SVP mehrheitsfähig wird. «Der Bundesrat will zeigen, dass er sich stark eingesetzt hat, standhaft war und die EU in dem Sinn die Verantwortung zu tragen hat», so Wasserfallen.

Wasserfallen erinnert daran, dass für die EU die Verhandlungen eigentlich seit zwei Jahren abgeschlossen seien. Die Perspektive des Bundesrats, wonach der Vertrag nicht im Gleichgewicht sei, teile Brüssel nicht. Die EU habe auch bereits klargemacht, dass in den besagten drei Punkten wenig zu erhoffen sei.

Ich erwarte zu diesem Zeitpunkt keine Zugeständnisse in grosser Form mehr.
Autor: Fabio Wasserfallen Professor für Europäische Politik, Universität Bern

Warum sich die EU das noch einmal anders überlegen sollte, sei schwierig vorstellbar, so Wasserfallen: «Ich erwarte zu diesem Zeitpunkt keine Zugeständnisse in grosser Form mehr.»

SRF 4 News, 27.04.2021, 06:20 Uhr ; 

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