Der Bundesrat hat den Entwurf für ein Verhandlungsmandat mit der EU verabschiedet.
Beginnen sollen die Verhandlungen, sobald sowohl die EU als auch der Bundesrat das Mandat definitiv verabschiedet haben.
Die Stabilisierung und Weiterentwicklung der Beziehungen mit der EU sei unabdingbar, sagte Aussenminister Ignazio Cassis vor den Medien in Bern. Nach rund siebzig bilateralen Treffen auf den verschiedensten Ebenen sei man nun so weit, einen Mandatsentwurf zu präsentieren. Gleichzeitig publizierten die EU und die Schweiz eine gemeinsame Erklärung.
SGB und SP verlangen Nachbesserungen
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Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB), bisheriger «unheiliger» Verbündeter der SVP im Kampf gegen das gescheiterte Rahmenabkommen, sieht wenigstens in der «Spesenfrage» ein erstes positives Zeichen. Denn der Bundesrat habe seine Absicht erklärt, die Übernahme des EU-Spesenrechts noch zu verhandeln. Die EU-Regelung nämlich würde zu Lohndruck und unfairer Konkurrenz führen.
Doch auch in anderen Punkten sieht der SGB Nachbesserungsbedarf, wie zum Beispiel beim Lohnschutz und beim Service Public. Bei der Stromversorgung und beim internationalen Schienenverkehr drohten zudem statt regulierter Grundversorgung und Kooperation Wettbewerb und Liberalisierung.
Auch die SP warnte vor einer Aushöhlung des Lohnschutzes. Mit der Einführung eines «Anti-Erosions-Pakts für das Arbeitsgesetz und die Arbeitsbedingungen» sollen die Flankierenden Massnahmen aufrechterhalten werden können, auch wenn sie etwa vom Schiedsgericht als unverhältnismässig eingestuft würden. Grundsätzlich aber unterstütze die Partei den Bundesrat in seinen Bestrebungen, Verhandlungen mit der EU aufzunehmen.
Diese schaffe die Voraussetzungen für die Aufnahme von Verhandlungen, schrieb das EDA. In der Erklärung seien Landezonen definiert, die man dann bei den Verhandlungen auf Landepunkte reduzieren müsse, sagte Cassis weiter.
Darin bekräftigen Bern und Brüssel den von der Schweiz vorgeschlagenen Paketansatz. So soll es neue Abkommen in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit geben. Auch ein Abkommen zur systematischen Teilnahme an EU-Programmen gehört zum Paket sowie regelmässige Kohäsionsbeiträge an die EU. Wie hoch diese sein werden, ist aktuell noch offen.
Reaktionen der Wirtschaftsverbände, der Kdk und der Universitäten
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Auch die Wirtschaftsverbände forderten den Bundesrat zu raschen Verhandlungen auf. Weitere Verzögerungen wären für die Schweizer Wirtschaft «schmerzhaft», teilte der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) mit. Mit einem neuen Paket an bilateralen Verträgen aber könnten die Ziele der Schweizer Wirtschaft erreicht werden, schrieb Economiesuisse.
Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) begrüsste den Entwurf für das Verhandlungsmandat mit der EU. Sie erwartet aber, dass die EU in den Bereichen Forschung, Bildung und Innovation ein Zeichen des Entgegenkommens setze und die Schweiz wieder zu den Ausschreibungen des Europäischen Forschungsrats sowie auch zu Horizon Europe zulasse.
Diese Hoffnung äusserten auch die Schweizer Universitäten. Eine vollwertige Teilnahme am Horizon Europe Euratom-Forschungs- und Ausbildungsprogramm könnte bereits für 2024 wieder möglich sein, sollten sowohl die Schweiz als auch die EU bis dann den Verhandlungsprozess aufnehmen.
Kein institutionelles Dach mehr
Anders als beim Institutionellen Rahmenabkommen (InstA) sollen die institutionellen Fragen neu in die einzelnen Binnenmarktabkommen integriert werden. Davon betroffen sind Personenfreizügigkeit, Landverkehr, Luftverkehr, technische Handelshemmnisse (MRA) und Landwirtschaft. Hinzu kommt noch das auszuhandelnde Stromabkommen.
FDP und Mitte fordern Einigkeit, Grüne «höchst erfreut»
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Die FDP begrüsste den Entwurf als «wichtigen Schritt in die richtige Richtung». Es sei nun unerlässlich, dass alle Akteure ihre Verantwortung wahrnähmen und sich für nachhaltige Lösungen einsetzten, teilte die Partei mit.
Und auch die Mitte betonte die Notwendigkeit, dass nun die Reihen im Inland geschlossen und ein breit abgestützter Konsens erreicht werde. Sie werde sich im Rahmen der Konsultation dafür einsetzen, dass das Schweizer Lohnniveau und die Sozialwerke durch «griffige Schutzklauseln» gesichert würden.
Die Grünen zeigten sich «höchst erfreut», dass der Bundesrat endlich ein Verhandlungsmandat in die Konsultation geschickt habe. Sie erwarteten nun, dass er noch im ersten Quartal 2024 Verhandlungen mit der EU aufnimmt.
Ebenfalls neu ist, dass nur drei Binnenmarktabkommen Beihilfebestimmungen erhalten sollen: Strom, Luftverkehr und Landverkehr. Zwar legt gemäss Erklärung immer noch der EU-Gerichtshof EU-Recht aus, der Anwendungsbereich ist aber gemäss der Erklärung neu etwas enger definiert als beim InstA.
Gleichzeitig bekennt sich die Schweiz zur dynamischen Rechtsübernahme bei den Binnenmarktabkommen, sie erhält dafür aber Ausnahmen. Laut Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider etwa bei der Personenfreizügigkeit, einem der umstrittensten Dossiers.
Unionsbürgerrichtlinie und Lohnschutz
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Die EU will, dass die Schweiz die Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) übernimmt, die für Brüssel eine Weiterentwicklung des EU-Rechts ist. Hier etwa gibt es Ausnahmen für die Schweiz beim Landesverweis, bei der Sozialhilfe und bei der Vergabe von Daueraufenthalten.
Beim Lohnschutz bekennen sich laut Erklärung beide Parteien zum Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort». Ausnahmen gibt es hier für die Voranmeldefrist und die Kautionspflicht.
Zudem könne die Schweiz weiterhin Arbeitskontrollen durchführen und das Arbeitsgesetz durchsetzen, bestätigte Baume-Schneider. Laut Cassis gibt auch eine Non-Regressions-Klausel, die der Schweiz ermöglicht, Verschlechterungen nicht übernehmen zu müssen.
Die ursprünglich von der EU verlangte Super-Guillotine gehört der Vergangenheit an. Diese hätte vorgesehen, dass, wenn das InstA gekündigt worden wäre, alle Binnenmarktabkommen ebenfalls hinfällig geworden wären. In der gemeinsamen Erklärung wird nun neu von «proportionalen Kompensationsmassnahmen» gesprochen.
Alles noch offen
Dank dieser gemeinsamen Erklärung sind die Schweiz und sie EU ein grosses Stück weiter gekommen. Doch Cassis warnte: «Alles kann noch einmal diskutiert werden – von beiden Seiten.» In vielen offenen Punkten gehe es um Kleinigkeiten: «Der Teufel steckt im Detail.»
SVP will «jede institutionelle Anbindung an die EU» bekämpfen
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Die SVP bezeichnete den Entwurf in einer Mitteilung vom Freitag als «alten Wein in neuen Schläuchen» und als «vergiftetes Weihnachtsgeschenk». Die Partei wolle «jede Form der institutionellen Anbindung an die EU mit allen Mitteln bekämpfen».
Die «Mitte-Links-Mehrheit im Bundesrat» sei bereit, automatisch EU-Recht zu übernehmen sowie den Europäischen Gerichtshof (EuGH) als letzte Instanz für die Streitbeilegung zu akzeptieren. Die SVP lehne dies entschieden ab und werde «mit allen Mitteln» für den Erhalt einer souveränen Schweiz kämpfen.
Ähnlich klingt es bei Pro Schweiz, der früheren Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns): Statt eine klare Linie gegenüber Brüssel zu fahren und aussenpolitische Optionen zu prüfen, füge sich der Bundesrat den EU-Positionen. Auch Pro Schweiz werde jede institutionelle EU-Anbindung bekämpfen.
Dort, wo die Schweiz ihre Ziele noch nicht erreicht habe, werde noch einmal diskutiert, sagte er. Der Bundesrat wolle aber rasch vorwärtskommen. Für die Schweiz wird der stellvertretende Staatssekretär Patric Franzen als Chefunterhändler mit der EU verhandeln.
«An einigen Grundsätzen wird die EU nicht rütteln»
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Die Kurzeinschätzung von SRF-EU-Korrespondent Andreas Reich:
«Bei der EU-Kommission zeigt man sich nach dem Entscheid des Bundesrats verhalten optimistisch, dass man bis Ende 2024 die Verhandlungen mit der Schweiz abschliessen kann. Die EU ist der Schweiz nach dem Ende des Rahmenabkommens insofern entgegengekommen, als sie den von der Schweiz vorgeschlagenen Paketansatz akzeptiert und darüber verhandeln will. Klar ist aber bereits vor den Verhandlungen: An einigen Grundsätzen wird die EU nicht rütteln. Wenn EU-Recht zur Anwendung kommt, dann soll der Europäische Gerichtshof in letzter Instanz über Streitfälle entscheiden. Und die Schweiz soll nicht besser gestellt werden als EU-Mitgliedstaaten. An diesen Grundsätzen hat die EU bereits in den Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich über das Brexit-Abkommen festgehalten – und sie wird auch für die Schweiz keine Ausnahmen in diesen Bereichen machen.»
Der Mandatsentwurf des Bundesrats geht nun in die Konsultation ins Parlament und zu den Kantonen. Das definitive Verhandlungsmandat dürfte in zwei bis drei Monaten stehen. Auf Seite der EU muss die EU-Kommission den Mandatsentwurf noch zuhanden der EU-Mitgliedstaaten verabschieden. Dies dürfte voraussichtlich am kommenden Mittwoch der Fall sein.
Zeitdruck wegen Forschung
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Dank des Fortschritts bei den Gesprächen mit der EU ist es Bern gelungen, die EU-Programme wie das EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe» und das EU-Bildungsprogramm «Erasmus+» zu deblockieren. So laufen aktuell technische Gespräche mit der EU dazu.
In der Erklärung wurde zudem eine Übergangsregelung vereinbart, «die es Forschenden in der Schweiz ermöglicht, an der Ausschreibung 2024 des Europäischen Forschungsrates (ERC) teilzunehmen, sobald die Verhandlungen über das Paket und die Assoziierung an 'Horizon Europe' aufgenommen werden», schrieb das EDA in einer Mitteilung.
Diese Übergangsregelung solle für das Programmjahr 2025 angewendet werden, sofern ein entsprechendes Abkommen zwischen der Schweiz und der EU bis dann paraphiert worden sei. Das würde demnach bedeuten, dass man bis Ende 2024 zu Ende verhandelt hat.
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