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Reizthema Tempo 30 Tempo 30 im Aargau: Stimmvolk soll immer das letzte Wort haben

Die Aargauer Bevölkerung soll immer entscheiden, ob irgendwo neu Tempo 30 gelten darf. Ein schweizweites Novum.

Das ist passiert: Das Aargauer Kantonsparlament hat entschieden, dass künftig immer das Volk über die Einführung von Tempo 30 auf Quartierstrassen bestimmen soll. Tempo 30 gilt heute als Verkehrsanordnung und liegt als solche in der Kompetenz des Gemeinderats. Nur wenn für die Einführung von Tempo 30 grössere Investitionen nötig sind, kann die Gemeindeversammlung oder das Stimmvolk Tempo 30 befürworten oder ablehnen. Der Aargau ist der erste Kanton, der seine Gesetzgebung nun so anpassen will, dass bei Tempo 30 immer das Volk das letzte Wort hat.

Initiativen in anderen Kantonen

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Tempo 30 beschäftigt auch andernorts die Politik.

Im Kanton Zürich will eine kantonale Volksinitiative den Städten Zürich und Winterthur verbieten, eigenständig über Temporeduktionen zu bestimmen. Die beiden Städte möchten Tempo 30 auch auf Hauptstrassen einführen.

Im Kanton Baselland wurde eine Volksinitiative eingereicht, die verlangt, dass die Bevölkerung zwingend mitbestimmen darf, wenn auf einer Hauptstrasse Tempo 30 eingeführt werden soll.

National- und Ständerat befürworteten kürzlich eine Motion, die es erschweren soll, Tempo 30 auf «verkehrsorientierten Strassen» einzuführen.

Im Gegensatz dazu geht es beim nun überwiesenen Vorstoss im Aargau um Tempo 30 auf Quartierstrassen. Tempo 30 auf Hauptstrassen gibt es im Aargau erst auf zwei kurzen Abschnitten in Aarau (Bahnhofstrasse) und im kleinen Dorf Olsberg.

Reizthema Tempo 30: Die Befürworter der Systemänderung argumentierten im Aargauer Parlament, dass Tempo 30 ein brisantes Thema sei, das die Bevölkerung beschäftige. «Die Bevölkerung kann bei der Anpassung eines Abwasserreglements mitsprechen, aber nicht bei der Einführung von Tempo 30», hielt Tim Voser (FDP) fest. Das müsse man ändern. «Die Motion fordert mehr direkte Demokratie. Da kann man gar nicht dagegen sein», unterstützte Patrick von Niederhäusern (SVP) das Anliegen ebenfalls.

Kein Tempo 30 «am Volk vorbei»: In der Diskussion im Parlament wurden mehrere Gemeinden genannt, in denen Gemeinderäte Volksentscheide zu Tempo 30 ignoriert hätten. So erwähnte Patrick von Niederhäusern seine Heimatstadt Brugg. Dort wurde 2019 flächendeckend Tempo 30 auf Quartierstrassen in einer Volksabstimmung abgelehnt. Nun würde die Stadtregierung aber Tempo 30 in Eigenregie Quartier für Quartier einführen. Dies sei möglich, da die nötigen Investitionen nicht mehr so hoch seien und in die Kompetenz der Stadtregierung fallen würden. «Das von der Bevölkerung abgelehnte Projekt, kann so still und heimlich eingeführt werden», gab Tim Voser zu Bedenken.

Fahrradfahrer auf Strasse mit Tempo-30-Markierung.
Legende: Tempo 30 auf einer Quartierstrasse in Aarau. Soll künftig auch in anderen Strassen oder Quartieren im Aargau Tempo 30 gelten, soll das Volk das letzte Wort haben. SRF/Stefan Ulrich

Minderheit gegen Systemänderung: Dass das Volk bei einer Verkehrsanordnung zwingend mitentscheiden kann, passte längst nicht allen im Grossen Rat. Der Gemeinderat habe den übergeordneten Blick, führe Gespräche mit den Direktbetroffenen und führe Tempo 30 dort ein, wo es sinnvoll sei, sagte etwa Gabi Lauper Richner (SP). Es gebe ausserdem bereits heute die Möglichkeit, sich gegen Tempo 30 zu wehren, ergänzte Robert Weishaupt (Mitte): Man könne gegen eine Verkehrsanordnung Beschwerde einlegen. «Die Mitwirkung der Bevölkerung ist damit sichergestellt.»

Volksentscheide auch bei 5G-Antennen?: Das Argument, dass Tempo 30 besonders brisant sei, wollte Regierungsrat Dieter Egli ebenfalls nicht so stehen lassen. Es gebe andere brisante Themen wie etwa die Baubewilligung für Mobilfunkantennen, die ebenfalls in die Kompetenz des Gemeinderats fielen. Nur bei Tempo 30 eine Ausnahme zu machen und einen «Systembruch im Rechtsstaat» zu vollziehen, erschien Dieter Egli wenig sinnvoll. Am Ende unterlag der Regierungsrat aber.

Knapper Entscheid: Mit 69 zu 64 Stimmen stimmte das Aargauer Kantonsparlament dem Vorstoss von Tim Voser knapp zu. Dafür sprachen sich SVP, eine Mehrheit der FDP und ein Teil der Mitte aus. Damit muss die Regierung diese Forderung aufnehmen und eine Gesetzesänderung erarbeiten, die bei Tempo 30 zwingend das Stimmvolk mit einbezieht.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 18.6.25, 6:31 Uhr ; 

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