- Verdichtetes Bauen in Gebieten mit übermässiger Lärmbelastung soll laut dem Nationalrat einfacher werden.
- Tempo 30 zur Lärmreduktion auf «verkehrsorientierten Strassen» erteilt der Nationalrat wie schon die kleine Kammer eine Absage.
- Die Vorlage passiert die Gesamtabstimmung mit 119 zu 67 Stimmen, geht aber wegen Differenzen nochmals an den Ständerat.
Mit dem Ziel, verdichtetes Bauen wegen der Wohnungsknappheit in lärmbelasteten Gebieten zu erleichtern, stieg der Nationalrat in die Detailberatung zum Umweltschutzgesetz (USG). Die grosse Kammer entschied sich dabei für einen Weg, den ihre Kommission als «Gleichgewicht zwischen innerer Verdichtung und Lärmschutz» propagiert hatte.
Ja zu «erweiterter Lüftungsfensterpraxis»
Gemäss Nationalrat soll künftig eine Baubewilligung erteilt werden können, wenn bei jeder Wohneinheit mindestens ein lärmempfindlicher Raum über ein Fenster verfügt, bei dem die Immissionsgrenzwerte eingehalten sind. Bei den übrigen Räumen muss eine kontrollierte Wohnraumlüftung installiert werden, oder es muss ein ruhiger, privat nutzbarer Aussenraum vorhanden sein.
Alternativ sind Baubewilligungen möglich, wenn bei jeder Wohneinheit mindestens die Hälfte der lärmempfindlichen Räume über ein Fenster verfügt, bei dem die Immissionsgrenzwerte eingehalten sind, und der Schallschutz wirtschaftlich verhältnismässig verschärft wird.
Der Ständerat sprach sich im Dezember dafür aus, dass der Wohnungsbau auch dann möglich sein soll, wenn lärmempfindliche Räume einfach eine kontrollierte Wohnraumlüftung erhalten.
Lüftung bleibt Knackpunkt
Eine Minderheit im Rat wollte, dass prinzipiell die sogenannte Lüftungsfensterpraxis des Städteverbands zum Zug kommt. Wohnungsbau in Gebieten mit übermässigem Lärm ist demnach dann möglich, wenn bei jeder Wohneinheit jeder lärmempfindliche Raum über ein Fenster verfügt, bei dem die Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Diese Praxis wollte auch der Bundesrat im Gesetz. Bundesrat Rösti sprach von einer einfachen und klaren Regel.
Mit 119 zu 67 Stimmen bei sechs Enthaltungen stimmte der Nationalrat dem Gesetzesentwurf in der Gesamtabstimmung zu. Die Stimmen für die «erweiterte Lüftungsfensterpraxis» stammten aus der SVP-, FDP- und teilweise der Mitte-Fraktion, dagegen waren SP, Grüne und GLP.
GLP-Sprecher Beat Flach (AG) kritisierte die «erweiterte Lüftungsfensterpraxis» als nicht praktikabel. Laut Bastien Girod (Grüne/ZH) würde das zu mehr lärmigen und krank machenden Wohnungen führen. Die Vorlage geht mit Differenzen zurück an den Ständerat.
Absage an Tempo 30 zum Lärmschutz kommt an
Beim Streit um Tempo 30 als Mittel zur Lärmreduktion entlang von Verkehrsachsen stellte sich der Nationalrat hinter den Ständerat. Damit setzte sich der Schaffhauser SVP-Nationalrat Thomas Hurter mit dem Antrag durch, wonach «auf verkehrsorientierten Strassen die Herabsetzung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit nicht verlangt werden» kann.
Scharfe Kritik von linker Seite
Mitte-Rechts habe die bereits schwache Vorlage des Bundesrats noch weiter verschlechtert, kritisierte SP-Nationalrätin Gabriela Suter, die bereits in der Eintretensdebatte mit dem Referendum gedroht hatte.
Der Angriff auf Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen sei unverantwortlich und ignoriere die Bedürfnisse der Bevölkerung: «Lärmschutz ist kein Selbstzweck, sondern Gesundheitsschutz und Verfassungsauftrag.»