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Rohanis Besuch in der Schweiz
Aus HeuteMorgen vom 02.07.2018.
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Rohani in der Schweiz Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Atomabkommen

Wie steht es um das Atomabkommen mit dem Iran? Und könnte die Schweiz als Vermittlerin helfen, den Deal zu retten? Eine Übersicht.

Wie steht es um das Atomabkommen, seit sich die USA zurückgezogen haben?

Schlecht. Und fast von Tag zu Tag noch schlechter. Zwar wollen die meisten Vertragspartner, nämlich Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Russland und China am Abkommen festhalten; vor allem die Europäer halten das Abkommen, ähnlich wie die USA, auch nicht für optimal – zumal es das iranische Atomprogramm nur für eine begrenzte Zeit stoppt und weil es Teheran nicht daran hindert, sein Raketenprogramm fortzuführen.

Trump mit Dokument
Legende: Präsident Trump hatte im Mai den vollständigen Rückzug der USA aus dem Abkommen über Irans Atomprogramm verkündet. Reuters

Aber die allermeisten Länder der Welt sind der Ansicht, das existierende, mangelhafte Abkommen sei besser als gar kein Abkommen. Einzig die USA, Israel und Saudi-Arabien sind fundamental gegen das Atomabkommen mit dem Iran. Die USA haben diesem nun den Rücken gekehrt. Die Europäer, die Russen und die Chinesen halten sich weiter an das Abkommen, das sie mitunterzeichnet haben. Vorläufig tut das auch der Iran.

Wie stehen die Chancen, dass das Abkommen fortbestehen kann?

Experten gehen von bestenfalls fünfzig Prozent Überlebenschancen aus. In Teheran ist man frustriert, man fühlt sich brüskiert und provoziert von den Amerikanern, die sich vom Abkommen unilateral abwenden.

Starke Kräfte im Iran wollen jetzt ihrerseits forsch reagieren und das wegen des Abkommens auf Eis gelegte Atomprogramm möglichst bald wieder aufnehmen und möglicherweise gar stärker vorantreiben als zuvor. Entsprechende Vorbereitungen laufen bereits. Der kritische Punkt wäre wohl dann erreicht, wenn Teheran wieder mit der Urananreicherung begänne. Damit würde nach den USA auch der Iran das Atomabkommen verletzen. Das heisst, es hätte dann auch für die übrigen Unterzeichnerstaaten keinen Sinn mehr, an dem in jahrelangen Verhandlungen erreichten Vertrag festzuhalten.

Der Iran ist vermutlich einzig dann bereit, an dem Abkommen festzuhalten, wenn er von dessen Vorteilen – ein Verzicht auf die Wirtschafts- und Finanzsanktionen – weiter profitiert. Im Fall der Amerikaner ist klar, dass sie die noch bestehenden Boykotte keineswegs aufheben, sondern sogar wieder verschärfen.

Das allein ist für den Iran nicht allzu schlimm, denn die Handelsbeziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Teheran sind bescheiden. Die bestellten Boeing-Flugzeuge liessen sich problemlos durch europäische Airbus-Maschinen ersetzen. Fast alle anderen Länder möchten mit dem Iran weiter normal Geschäfte betreiben. Doch genau daran wollen die USA diese nun hindern, indem sie sogenannte «sekundäre Sanktionen» planen. Mit diesen würden Firmen ausserhalb der USA bestraft, wenn sie weiterhin im Iran-Geschäft bleiben. Ihnen würde dann in erpresserischer Manier der Zugang zum amerikanischen Markt und zum amerikanischen Bankensystem verwehrt.

Für kleinere Firmen, die kaum in den USA aktiv sind, mag das nicht so dramatisch sein, für grosse Konzerne jedoch schon. Für sie stellt sich die Frage: Verzichten wir auf das US-Geschäft oder auf das Iran-Geschäft? Firmen wie Total oder Peugeot und viele andere haben die Frage bereits beantwortet: Das US-Geschäft ist weitaus wichtiger. Auch für die Thurgauer Stadler Rail käme ein möglicher Verkauf von U-Bahn-Zügen in die iranische Hauptstadt wohl nicht mehr infrage.

Wie realistisch ist es, dass ein neues Abkommen zustandekommt, ein «besserer Deal», wie es US-Präsident Donald Trump formuliert?

Die Chancen dafür sind gering. Vor allem weil die beiden wichtigsten Akteure, also die grossen Widersacher Iran und USA, ein neues Abkommen gar nicht wollen. Für den Iran stand von vornherein fest: Man hat das bestehende Abkommen unterschrieben; zu weiteren Zugeständnissen war man bei dessen Aushandlung 2015 nicht bereit – weshalb sollte man sie jetzt auf einmal machen?

Vor allem einen Einbezug des Raketenprogramms lehnte der Iran strikt ab und ebenso einen Verzicht auf das Atomprogramm auf ewige Zeiten. Nachdem nun die USA gezeigt haben, dass auf sie und ihre Unterschrift ohnehin kein Verlass ist, wird man in Teheran wenig Gründe sehen, ausgerechnet mit der Supermacht einen neuen Vertrag einzugehen. Die Trump-Regierung ihrerseits sprach in den vergangenen Monaten tatsächlich davon, man wolle mit dem Iran ein neues, besseres, weitergehendes Abkommen aushandeln. Doch konkrete Vorstösse dafür gab es nicht, sichtbare Anstrengungen in diese Richtung unternahmen weder das Weisse Haus noch das US-Aussenministerium.

Inzwischen ist klar: Washington will mit Iran gar nichts Neues verhandeln, sondern will maximalen Druck auf das Regime in Teheran ausüben. Mit dem Ziel, dort einen Machtwechsel zu erzwingen, also den Sturz der Mullahs. Ob das den USA gelingt, ist allerdings fraglich, denn je schärfer sie gegen den Iran vorgehen, umso stärker dürften Länder wie China oder Russland Teheran unterstützen und damit zugleich ihren Einfluss im Land und in dieser Weltgegend vergrössern.

Was würde das Scheitern des Abkommens bedeuten?

Zunächst würde mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der Iran sein Atomprogramm wieder hochfahren. Selber spricht man in Teheran davon, noch leistungsfähigere Zentrifugen zur Urananreicherung zu bauen. Die meisten Anlagen für das Atomprogramm wurden lediglich ausser Betrieb genommen und nicht zerstört. Und das Knowhow besitzt das Land inzwischen ohnehin. Es könnte also innerhalb weniger Jahre fixfertige Atombomben besitzen und somit zur zehnten Atommacht der Welt werden. Die entsprechenden Raketensysteme für den Einsatz von Atombomben besitzt der Iran.

Wenn der Iran zur Atommacht wird, dann dürften andere Regionalmächte, allen voran Saudi-Arabien, die Türkei, möglicherweise Ägypten oder die Vereinigten Arabischen Emirate nachziehen. Es käme also im Nahen Osten eine atomare Aufrüstungsspirale in Gang. Die Spannungen und Risiken würden noch erheblich steigen. Eine Atommacht Iran müsste ausserdem wieder mit verschärften, allenfalls gar von der UNO verfügten weltweiten Boykotten rechnen. Das heisst: Wirtschaftlich würde die Aufrüstung dem Iran schaden, die Unzufriedenheit in der Bevölkerung würde weiter zunehmen. Das Regime würde mit verstärkter Repression antworten. Der Unterdrückungsapparat im Iran ist gut ausgebaut und erprobt. Es ist also fraglich, ob sich mit Sanktionsdruck ein Regimewechsel in Teheran von aussen erzwingen lässt. Das ist ja in Nordkorea ebenfalls nicht gelungen.

Wie steht die Schweiz zu dem Abkommen?

Die Schweiz hat den Weg zum Iran-Atomabkommen stets tatkräftig unterstützt. Sie spielte während der Verhandlungen zunächst in Genf, später in Lausanne eine Gastgeberrolle, die von allen Beteiligten sehr geschätzt wurde. In der Schlussphase der Verhandlungen wurde die Schweiz in dieser Rolle von Österreich abgelöst. Beide Länder waren indes nicht als Vermittler tätig, waren also nicht einbezogen, was die Substanz der Verhandlungen betraf. Die Schweiz gehört auch jetzt, zusammen mit den EU-Staaten, mit Russland, China und der grossen Mehrheit der Länder weltweit, zu den Unterstützern des Abkommens. Ein Kollaps des Abkommens hätte auch aus Schweizer Sicht weltpolitisch und weltwirtschaftlich gravierende negative Folgen.

Was kann der Besuch Rohanis in der Schweiz bewirken?

Was das Atomabkommen betrifft: sehr wenig. Zwar herrscht oft, wenn es um den Iran geht, in der Schweiz die Hoffnung, man könne als Vermittlerin auftreten. Tatsächlich leistet die Schweiz, welche in Teheran seit Jahrzehnten die diplomatischen Interessen der USA vertritt, «gute Dienste». Sie spielt eine Art Briefträgerrolle. Diese Aufgabe hat durchaus eine Bedeutung, doch überschätzen darf man sie nicht. Damit es überhaupt zu einer Vermittlung kommt, muss diese von allen Direktbeteiligten gewünscht werden.

Nachdem sich aber vor allem der Iran und die USA zurzeit auf Konfrontationskurs befinden, steht eine Vermittlung einstweilen gar nicht zur Debatte. Und falls es überhaupt in absehbarer Zukunft zu neuen Verhandlungen zwischen allen Beteiligten über die Rettung des bisherigen oder über ein neues Abkommen kommt, dann würden diese eher wieder im früheren Kreis der UNO-Vetomächte plus Deutschland einerseits und dem Iran andererseits stattfinden – ohne Vermittlung durch einen Kleinstaat. Durchaus denkbar ist, dass der Schweiz wieder die Aufgabe als Gastgeberin zukäme. Doch so weit ist es noch lange nicht.

Rohani an Rednerpult
Legende: Zentrales Thema des Besuchs von Rohani in der Schweiz ist die jüngste Entwicklung rund um das Atomabkommen sein. Keystone

Bei seinem Besuch dürfte der iranische Präsident Hassan Rohani in erster Linie die Schweiz ersuchen, sich nicht amerikanischen Sanktionen anzuschliessen und auch den «sekundären Sanktionen» der USA gegen Schweizer Firmen die Stirn zu bieten. Bloss: Der Druck auf die Schweizer Wirtschaft wird gross sein; viele Unternehmen werden es nicht wagen, trotz der Drohkulisse Washingtons weiter normal mit dem Iran zu geschäften.

Das Atomabkommen mit dem Iran

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Das Abkommen wurde im Jahr 2015 zwischen dem Iran und den USA, Frankreich, Grossbritannien, Deutschland, Russland und China geschlossen. Der Iran verpflichtet sich darin, sein Atomprogramm herunterzufahren und 95 Prozent seines angereicherten Urans zu reduzieren. Ausserdem soll das Land zwei Drittel der Uran-Anreicherungs-Anlagen zurückbauen. Die Internationale Atomenergiebehörde bekommt zudem die Erlaubnis, für 25 Jahre Kontrollen durchzuführen – auch auf Militärgeländen. Als Gegenleistung lockern die Vertragspartner ihre Sanktionen gegenüber dem Iran. Das Abkommen steht auf wackligen Beinen, seit die USA diesen Mai ausgestiegen sind. Schon vor seiner Amtszeit hat US-Präsident das Abkommen als «desaströs» und «verrückt» kritisiert.

Video
Die Sondersendung zum Staatsbesuch von Hassan Rohani
Aus News-Clip vom 03.07.2018.
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