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Rytz statt Cassis im Bundesrat «Es gäbe sicher keinen Aufstand im Tessin»

Die Berner Nationalrätin Regula Rytz will in den Bundesrat. Noch unklar ist jedoch, ob ihre Partei sie überhaupt antreten lassen will – das entscheidet die Fraktion der Grünen heute. Falls sie tatsächlich in den Bundesrat wollen, stellt sich die Frage: auf wessen Kosten? Als Abwahlkandidat wird Aussenminister Iganzio Cassis genannt. Damit wäre das Tessin nicht mehr in der Regierung vertreten. Politologe Nenad Stojanović hält das allerdings für verkraftbar.

Nenad Stojanović

Politologe

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Nenad Stojanović ist Politologe an der Universität Genf. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Politiktheorie, der Vergleichenden Politik und der Schweizer Politik. Stojanović ist Parteimitglied der SP, unter anderem sass er in der Tessiner und Schweizer Parteileitung.

SRF News: Wie wichtig ist dem Tessin der Sitz im Bundesrat?

Nenad Stojanović: Die italienischsprachige Schweiz hat relativ lange auf diesen Sitz gewartet: 18 Jahre, seit 1999, als Flavio Cotti zurücktrat. Das heisst, der Sitz ist schon wichtig. Aber man muss diese Wichtigkeit auch nicht übertreiben. Es zählen auch parteipolitische und ideologische Gründe.

Was sticht, wenns darauf ankommt, mehr? Die Herkunft oder die Partei?

Ich denke, es ist am Ende doch die Parteifarbe. Schon bei seiner Wahl 2017 war Ignazio Cassis von den zwei Lega-Vertretern im Nationalrat nicht gewählt worden. Und auch von den Linken wurde er teilweise nicht gewählt.

Cassis war nie besonders populär.

Die italienischsprachige Bündnerin Silva Semadeni aus der SP stimmte für ihn, ihre Parteikollegin Marina Carobbio Guscetti aus dem Tessin aber nicht. Schon damals gab es also keine Einstimmigkeit darüber, dass Cassis der italienischsprachige Vertreter im Bundesrat sein sollte.

Cassis ist nicht unumstritten. Wie viel Rückhalt hat er im Tessin?

Er war nie besonders populär. 2015, obwohl er schon acht Jahre im Nationalrat war, war er nur auf Platz zwei der Tessiner FDP-Liste. Giovanni Merlini erhielt den ersten Listenplatz. Aber, das darf man nicht vergessen: Die Bundesverfassung sagt, dass die verschiedenen Sprachregionen und Landesgegenden im Bundesrat angemessen vertreten sein sollten.

Wenn Rytz auf Kosten Cassis' Bundesrätin würde, wäre das keine Katastrophe für die Tessinerinnen und Tessiner?

Es gäbe sicher keinen Aufstand im Tessin, ich erwarte auch keine grossen Demonstrationen auf dem Bundesplatz. Es wäre auch nicht optimal, wenn die FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter angegriffen würde. Weil sie eine Frau ist, aber auch, weil sie die Ostschweiz vertritt. Und die Verfassung sagt ja, dass alle Landesgegenden – auch der Deutschschweiz – vertreten sein sollten. Es ist aber auch nicht optimal, dass die Grünen mit 13 Prozent Wähleranteil null Bundesräte haben, die FDP mit 15 Prozent zwei und die CVP mit 11 Prozent einen.

Das Gespräch führte Damian Rast.

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