Seit 2004 sind Delikte in Paarbeziehungen Offizialdelikte: Die Behörden greifen von Amtes wegen ein, auch wenn die betroffene Person keinen Antrag stellt. Die Gesetzesänderung hat jedoch nicht bewirkt, dass mehr Täter verurteilt werden.
Dies liegt daran, dass die meisten Verfahren eingestellt werden. Je nach Kanton liegt die Quote zwischen 53 und 92 Prozent. Das lasse vermuten, dass es Opfern schwerfalle, die notwendigen Schritte für eine strafrechtliche Verfolgung oder Verurteilung der Täter zu unternehmen, schreibt das Justiz- und Polizeidepartement.
Verfahren auf Wunsch der Opfer gestoppt
Nach dem heute geltenden Recht kann ein Strafverfahren wegen einfacher Körperverletzung, wiederholter Tätlichkeiten, Drohung oder Nötigung zunächst sistiert und nach sechs Monaten sogar eingestellt werden, wenn das Opfer es so will – selbst dann, wenn es wiederholt Gewaltvorfälle mit derselben Person gab.
Der Bundesrat will dies nun ändern. In einem Bericht zur Motion «Eindämmung der häuslichen Gewalt» von Bea Heim schlägt er einige Gesetzesanpassungen vor.
Keine Sistierung bei einschlägigen Vorstrafen
Demnach sollen die Strafverfolgungsbehörden künftig mehr Ermessensspielraum erhalten. Verfahren sollen auch dann weitergeführt werden können, wenn das Opfer einen Sistierungsantrag stellt – etwa wenn die weiteren Umstände dafür sprechen.
So sollen die Behörden darauf achten, ob Kinder betroffen sind, wie schwer die Tat wiegt und ob Anzeichen dafür bestehen, dass sich Opfer und Täter auf eine Lösung des Konflikts verständigt haben. Zudem sollen die Risiken eines erneuten Übergriffs eine Rolle spielen. Wenn die beschuldigte Person bereits wegen häuslicher Gewalt vorbestraft ist, soll die Sistierung des Verfahrens gar nicht mehr möglich sein.
Für Neuerung muss Strafgesetz revidiert werden
Mit diesen Änderungen wolle er die Situation der Opfer verbessern und diese von ihrer Verantwortung entlasten, schreibt der Bundesrat. Er habe auch geprüft, Verfahren wegen häuslicher Gewalt vollständig zu offizialisieren. Das heisst, der Wille des Opfers würde bei der Frage der Sistierung gar keine Rolle mehr spielen.
Dies hält der Bundesrat jedoch für keine gute Lösung. Es bestünde die Gefahr, dass sich betroffene Personen nicht mehr bei den Behörden meldeten oder keine belastenden Aussagen mehr machten, heisst es in der Begründung. Die Aussagen der Opfer seien aber stets entscheidend für eine Verurteilung.
Die nötigen Anpassungen im Strafgesetzbuch will der Bundesrat im Rahmen der Arbeiten zur Motion «Opfer häuslicher Gewalt besser schützen» umsetzen und sie dann dem Parlament vorlegen. Diese Motion von Ständerätin Karin Keller-Sutter verlangt, dass Opfer vor der Einstellung eines Verfahrens angehört werden müssen.