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Seltene Krankheit Affenpocken in der Schweiz – die drängendsten Fragen

Seit Mitte Mai breiten sich die Affenpocken in Europa aus, auch die Schweiz vermeldet erste Infektionen. Bis Dienstag zählte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) insgesamt über 131 bestätigte Fälle und rund 80 Verdachtsfälle. Die drängendsten Fragen und Antworten.

Welche Gefahr geht derzeit von den Affenpocken in der Schweiz aus? «Wir schätzen das Risiko zurzeit als gering ein, die epidemiologischen Daten sind aber noch beschränkt», erklärt Céline Gardiol, Leiterin der Sektion Impfempfehlungen und Bekämpfungsmassnahmen im Bundesamt für Gesundheit (BAG). «Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch bei uns noch mehr Fälle auftreten können, wie dies auch in anderen Ländern geschieht.» Das Affenpockenvirus gilt als mässig übertragbar auf Menschen. Die Krankheit verläuft in der Regel mild. Wichtig sei, dass Personen mit Symptomen rasch zum Arzt oder zur Ärztin gehe würden. Auch Linda Nartey, Vize-Direktorin des BAG stellt klar: «Es gibt keinen Grund für Angst und Panik.»

Ergreift das BAG bereits erste Massnahmen? Man überwache die epidemiologische Situation in Zusammenarbeit mit den internationalen Gesundheitsbehörden und Experten, sagt Linda Nartey. Wichtig sei nun, dass Behörden, Gesundheitsfachpersonen und Behandlungszentren die Situation kennen würden und sensibilisiert seien. So, dass Personen, die erkranken, gut behandelt und isoliert werden können.

92 bestätigte Fälle in zwölf Ländern

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Nach dem Auftreten von Affenpocken in Deutschland und der Schweiz ist auch in Österreich ein erster Verdachtsfall gemeldet worden. Ein 35-jähriger Mann sei in der Nacht mit typischen Symptomen in eine Wiener Klinik eingeliefert worden, meldete der öffentlich-rechtliche Sender ORF am Sonntag unter Berufung auf einen Sprecher des zuständigen Gesundheitsstadtrates.

Auch aus Grossbritannien, Portugal, Spanien, Italien, Israel, Kanada und den USA waren zuvor Infektionen gemeldet worden. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es Stand Samstag 92 bestätigte Fälle von Affenpocken und 28 Verdachtsfälle aus insgesamt zwölf Ländern, in denen sie sich üblicherweise nicht verbreiten. Die WHO erarbeitet derzeit Leitlinien zur Eindämmung der Ausbreitung.

Gibt es bei den Affenpocken auch schwere Verläufe? Immungeschwächte Personen sowie Kinder und junge Erwachsene, die sich angesteckt haben, scheinen laut dem BAG ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf zu haben.

Fieber, Kopfweh und Hautausschlag

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Zu den Symptomen einer Infektion mit dem Affenpocken-Virus zählen: plötzlich einsetzendes Fieber, starke Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Halsschmerzen, Husten, häufig auch Lymphknotenschwellungen. Typisch ist zudem ein vom Gesicht auf den Körper übergreifender, pockentypischer Ausschlag. Selten treten Erblindung und entstellende Narben als Dauerschäden auf.

Die Zeitspanne von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung beträgt in der Regel sechs bis 16 Tage, teilweise auch länger.

Die Behandlung ist laut BAG hauptsächlich symptomatisch. In schweren Fällen komme eine antivirale Therapie in Frage. Diese Behandlung ist laut BAG derzeit in der Schweiz aber nicht zugelassen.

Ist das Virus genauso ansteckend wie Corona? «Basierend auf dem, was man über das Virus weiss, kann man davon ausgehen, dass es weniger übertragbar ist als das Coronavirus», sagt Linda Nartey. Es brauche einen engen, teilweise auch länger dauernden Kontakt mit angesteckten Personen und teilweise auch direkten Kontakt etwa mit Hautläsionen, um sich anzustecken. Infektiologie-Professor, Jan Fehr, betont ausdrücklich, dass man nicht von einer Aerosol-Ansteckung ausgehe.

Stehen wir vor einer neuen Pandemie? «Im Moment haben wir keine Hinweise darauf, dass wir vor einer neuen Pandemie stehen», sagt Linda Nartey. «Aber die Situation muss – wie es auch gemacht wird – beobachtet werden.» Man müsse die Ausbrüche abklären; bei jedem Fall werde sofort ein Contact-Tracing gemacht, sodass Übertragungsketten schnell unterbrochen werden können.

Gibt es eine Impfung? Es gibt keinen spezifischen Impfstoff gegen Affenpocken. Allerdings verleihen die Pockenimpfstoffe der ersten und zweiten Generation einen wirksamen Schutz. Diese Impfstoffe wurden in der Schweiz bis im Jahr 1972 im Rahmen des Programms zur Ausrottung der Pocken verabreicht. 1979 hat die WHO die Welt als pockenfrei bezeichnet; damit wurden auch die Pockenimpfungen eingestellt. Mittlerweile gibt es auch einen Pockenimpfstoff der dritten Generation (MVA-BN/Imvanex), der in Europa für Erwachsene zugelassen ist, nicht aber in der Schweiz. Auch dieser Impfstoff würde laut BAG «einen guten Schutz gegen Affenpocken» bieten.

Das BAG klärt die Verfügbarkeit eines Impfstoffes ab. Für die Zulassung von Impfstoffen ist die Arzneimittelbehörde Swissmedic zuständig. Sie handelt allerdings nur auf Antrag von Herstellern. Sie wird entsprechend nicht selber aktiv und wirkt nicht auf Zulassungen bestimmter Mittel hin.

Warum setzt man nicht die alten Impfstoffe ein?

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Wie BAG-Mediensprecherin Katrin Holenstein gegenüber SRF schreibt, würde man den Pocken-Impfstoff der Erst- und Zweitgeneration nur bei einer Pocken-Epidemie einsetzen, «denn diese Impfstoffe machen teils schwere Nebenwirkungen». Diese Impfstoffe würde man laut Holenstein also kaum gegen Affenpocken einsetzen, da ein schlechtes Nutzenverhältnis bei der Affenpocken-Erkrankung bestünde, die meist milde verlaufe.

Weiter erklärt Holenstein, dass der Bund vom Pocken-Impfstoff der ersten Generation (Lancy Vaxina; Berna Biotech) über genügend Dosen verfüge, um die gesamte Bevölkerung impfen zu können. Vom Impfstoff der dritten Generation hat der Bund bisher keine Dosen gekauft.

Gibt es Medikamente zur Behandlung der Affenpocken? In der Schweiz habe es bis in die 70er-Jahre Zulassungen für Arzneimittel gegen Pocken gegeben, schreibt Swissmedic auf Anfrage von SRF. Zurzeit lägen aber keine solchen vor. «Das liegt daran, dass die Krankheit ausgerottet war, keine Impfungen mehr stattfanden und die Firmen auf die Zulassung der von 50 Jahren zugelassenen Mittel verzichtet haben.» Man habe derzeit «keine Anträge auf Zulassung von Arzneimittel zur Bekämpfung von (Affen-)Pocken und auch in den letzten Jahren keine erhalten».

Gibt es Verhaltensempfehlungen? Laut Linda Nartey vom BAG gilt dasselbe wie bei allen übertragbaren Krankheiten: «Wer Kontakt mit einer infizierten Person hat, sollte sich möglichst schützen, also enge Kontakte vermeiden.» Wenn man Kontakt hatte, sollte man sich die Hände waschen und desinfizieren. «Und wenn man Symptome entwickelt, sollte man diese mit einer Fachperson, also einer Ärztin oder einem Arzt, abklären.»

Woher haben die Affenpocken ihren Namen? Der Erreger wurde erstmals 1958 in einem dänischen Labor bei Affen nachgewiesen – daher der Name. Fachleute gehen davon aus, dass der Erreger eigentlich in Hörnchen und Nagetieren zirkuliert, Affen gelten als sogenannte Fehlwirte. Und das Virus kann eben auch vom Tier auf den Menschen überspringen und umgekehrt (Zoonose).

Worin sich die Affenpocken von den Pocken unterscheiden

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Affenpockenviren seien andere Erreger als die Auslöser der Menschenpocken, erklärt der Virologe Gerd Sutter von der Ludwig-Maximilians-Universität München in einem «Zeit online»-Interview. Das klinische Bild beim Menschen hat laut dem BAG eine gewisse Ähnlichkeit mit Pocken, die Affenpocken verlaufen aber generell milder: Die Betroffenen erholen sich meist innerhalb weniger Wochen. An einer Menschenpocken-Infektion starb früher, bevor es eine Impfung gab, ein grosser Teil der Betroffenen.

Wie häufig sind solche Zoonosen? Sehr häufig: Fast 70 Prozent aller Infektionskrankheiten beim Menschen sind Zoonosen. Dazu zählen die Tollwut, Malaria, Ebola oder HIV – und wahrscheinlich auch das Coronavirus. Eine der verheerendsten Zoonosen ist die Pest, die sich von Nagern über Flohbisse auf den Menschen übertrug und dann über Tröpfchen-Infektion von Mensch zu Mensch weitergegeben wurde. Derzeit sind etwa 200 Krankheiten bekannt, die durch Zoonosen ausgelöst werden, die Zahl nahm in den letzten Jahren zu. Etwa, weil die Menschen immer weiter in die Lebensräume von Wildtieren eindringen, durch die Globalisierung und die Verstädterung.

Wie sind die Affenpocken in den Menschen gelangt? Dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge geschieht eine Übertragung auf den Menschen allgemein häufig durch Kontakt mit infizierten Tieren oder tierischem Blut und Sekreten, über das Essen infizierten Affenfleischs sowie Tröpfcheninfektion.

Affenpocken kursieren normalerweise in Afrika

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Affenpocken-Infektionen beim Menschen waren bislang vor allem aus Regionen West- und Zentralafrikas bekannt. Der erste Fall einer Affenpocken-Infektion beim Menschen sei 1970 in der Demokratischen Republik Kongo registriert worden, schreibt ein internationales Forscherteam im Fachmagazin «Plos Neglected Tropical Diseases». Danach habe sich das Virus in andere Länder Afrikas ausgebreitet, 2003 sei es erstmals ausserhalb des Kontinents nachgewiesen worden.

Im westafrikanischen Nigeria wurden in diesem Jahr nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde zwischen Januar und Ende April 15 Fälle von Affenpocken erfasst. In Nigeria, Kamerun und der Demokratischen Republik Kongo kam es laut WHO in den vergangenen fünf Jahren immer wieder zu Ausbrüchen.

Über das Infektionsgeschehen in der Tierwelt ist kaum etwas bekannt. Grössere Ausbrüche in Afrika bei Tieren seien schlecht dokumentiert, deshalb habe man da keine Übersicht, sagte Elke Reinking, Pressesprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI).

Laut der WHO sind momentan vor allem Männer betroffen. Warum? Laut dem BAG ist es möglich, dass durch sexuelle Kontakte mit einer infizierten Person die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung von Mensch zu Mensch steigt. «Männer, welche Sex mit Männern haben, scheinen, ein zusätzliches Risiko einer Ansteckung zu haben», so das BAG auf seiner Homepage. Die Übertragungswege würden aktuell wissenschaftlich vertieft untersucht. Intimkontakt ist aber nur eine Möglichkeit der Übertragung – es ist womöglich Zufall, dass das Virus zunächst in diesen Personenkreis getragen wurde und dann vor allem dort weiter kursierte.

Wieso treten plötzlich Fälle des Virus ausserhalb der Ursprungsländer auf? Das ist laut Céline Gardiol vom BAG nicht aussergewöhnlich. Einzelne Fälle seien schon früher punktuell ausserhalb von Afrika aufgetreten. «Aussergewöhnlich ist, dass seit Anfang Mai 2022 eine Häufung von Affenpocken in mehreren Ländern in Europa und auch in Nordamerika festgestellt wird.»

Sind wir aufgrund von Corona sensibilisierter und nehmen solche Ausbrüche eher wahr? Gemäss Infektiologie-Professor Jan Fehr ist tatsächlich eine Sensibilisierung zu spüren, was aber auch wichtig sei: Die globalisierte Welt sowie die Klimaerwärmung könnten hier eine Rolle spielen und das müsste man, «wollen wir gut in die Zukunft kommen», auf dem Radar haben. «Es wird mehr solche Krankheiten geben, das ist zumindest meine Prognose.»

SRF 4 News, 22.05.2022, 07:00 Uhr ; 

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