Weinstände auf der Strasse durch das Dorf, das Rebbergbähnli, das durch die Weinberge fährt, Papa Moll für die Kleinen und der Winzerumzug am Sonntag mit Musik und Wagen: Das dreitägige Winzerfest in Döttingen AG zieht jährlich rund 50'000 Besucherinnen und Besucher an. Am Anlass im Zurzibiet unweit der Grenze zu Deutschland entsteht nicht der Eindruck, dass der Schweizer Wein ein Absatzproblem hat.
Weniger Absatz trotz besserer Qualität
«Die Statistik zeigt, dass weniger Wein konsumiert wird. Wir sind auf einem Rekordtief», meint Andreas Meier, Nationalrat (Mitte) und Winzer mit einem Weingut in Würenlingen AG. Vor dreissig Jahren wurden in der Schweiz gemäss der weinwirtschaftlichen Statistik des Bundes insgesamt knapp 300 Millionen Liter Wein getrunken, mehr als zur Hälfte Schweizer Wein. Letztes Jahr waren es noch rund 220 Millionen Liter, etwa zu zwei Dritteln aus dem Ausland.
An der Qualität könne es nicht liegen, meint Winzer Rolf Knecht aus Döttingen. Die Qualität sei heute viel besser als vor zwanzig Jahren, der Absatz sei trotzdem nicht grösser geworden. «Eigentlich eine komische Erkenntnis: Wenn man sich verbessert und trotzdem schlechter verkauft, hat man doch etwas falsch gemacht.»
Aargauer Wein für den Aargau
Vor allem Westschweizer Weinbetriebe klagen über den Rückgang. Für sie geht es teilweise um die Existenz. Die Rebflächen sind gross, die Keller voll. Kürzlich gaben einige Verarbeiter bekannt, keine Trauben mehr annehmen zu können. Mehrere Vorstösse wurden im Nationalrat eingereicht, ein runder Tisch mit Bundesrat Guy Parmelin soll nach Lösungen suchen.
Anders im Aargau. Der Kanton liegt im oberen Mittelfeld bei der schweizweiten Weinproduktion. Die Anbaufläche ist in den letzten Jahren stabil geblieben. Verkauf direkt ab Weinkeller funktioniere immer noch, meinen die lokalen Winzer. Aargauer Wein werde mehrheitlich auch im Aargau konsumiert. Die Herausforderung sei kleiner als in den grossen Weinbaugebieten, die ihre Produkte weitherum absetzen müssten.
Konkurrenz und veränderte Gewohnheiten
Gründe für die allgemeine Misere sieht Winzer und Politiker Andreas Meier mehrere. Der wichtigste: die starke Konkurrenz aus dem Ausland. Meier hinterfragt, weshalb andere Staaten den Verkauf ihrer Weine in der Schweiz mit Millionenbeträgen fördern, und fordert fairere Bedingungen für einheimische Produzenten. Leute in städtischen Gebieten hätten zudem keinen Bezug mehr zu den lokalen Rebbergen. Da trinke man eher einen ausländischen Wein.
Und natürlich werde generell weniger Alkohol getrunken, so Winzer Andreas Meier. Die gesellschaftliche Entwicklung hin zu einem gesundheitsbewussteren Lebensstil und geringerem Alkoholkonsum vermiest den Winzern das Geschäft.
«Junge Menschen konsumieren weniger Wein. Es ist möglich, dass wir ihnen auch die falschen Produkte präsentieren. Die Jungen mögen leichte, fruchtige Weine», meint Winzer Knecht. Auch in Bars seien traditionelle Weine weniger gefragt.
Winzerfest trotz der «Krise»
Vom rückläufigen Weinabsatz merkt man am Winzerfest Döttingen aber auch dieses Jahr nichts. Die Organisatoren sprechen erneut von Zehntausenden Besucherinnen und Besuchern. Sie haben beim Italienischen Elternverein Penne gegessen und Döner beim Türkischen Kulturverein, dem sonntäglichen Umzug mit rund 50 Wagen und Gruppen zugeschaut und wie immer an den Ständen der Winzer und in den Festbeizen Wein getrunken. Aargauer Wein.